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Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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streichelte sie den Fels.
    „ Merci beaucoup “, sagte sie ganz klar und einfach. „Danke für deinen Schutz. Ich wußte nicht, daß Stein so nett sein kann.“
    Eine Antwort gab es nicht. Er hatte auch keine erwartet, denn er konnte nicht glauben, daß es der Fels selbst gewesen war, der sich entschieden hatte, in ihr Schicksal einzugreifen.
    „Danke!“ sagte er in die Luft. „Danke für das Wunder.“ Er fühlte sich demütig und mochte das Gefühl nicht besonders. Demut war nicht seine Stärke. Er würde wohl ein besserer Mensch werden müssen, ein frommerer Christ oder ein braverer Mann. Wenn all das hier vorbei war, würde er vielleicht auf Wallfahrt gehen oder sich zu Exerzitien zurückziehen oder einige Messen lesen lassen.
    Er ergriff wieder die Hand des Mädchens.
    „Gehen wir! Es ist weit, und wir müssen sehr vorsichtig sein.“ Er bückte sich und hob seine Waffe auf, die zu seinen Füßen lag. Ein Schuß. Nach wie vor hatte er nur einen Schuß. Die Sonne war aufgegangen. Seine Feinde würden ihn deutlich sehen können. Sie waren nach wie vor besser ausgerüstet und vermutlich zu Pferd unterwegs. Er hatte nur seinen Verstand und das Mädchen und eine einzige Kugel.
    Die hatte er beinahe dazu benutzt, um das süße, zutrauliche Wesen neben ihm umzubringen. Er schloß die Augen und versuchte, die Erinnerung daran zu löschen.
    „Danke“, murmelte er noch einmal.
    Sie machten sich auf den Weg nach unten.
    „Vielleicht haben sie Wachen postiert, um uns aufzuspüren. Wir müssen aufpassen“, warnte er. Flüchtlinge verschwanden nicht einfach so. Wenn man sie im Dunkeln nicht finden konnten, versuchte man es gewiß im Hellen.
    „Vielleicht finden wir unsere Pferde wieder?“ hoffte sie. „Und vielleicht kann ich inzwischen ja besser reiten?“
    „Das möchte ich bezweifeln“, gab er trocken zurück. „Wenn sie die Tiere gefunden haben, werden sie sie zurückgebracht haben. Und das Wunder von heute nacht hatte nichts von einer Reitstunde.“
    „Ich fühle mich aber viel besser heute früh. Und viel stärker.“
    Sie hatte recht. Er fühlte sich auch besser. Er befingerte vorsichtig seine Rippen. Kein Schmerz. Er spannte seine Muskeln an.
    „Ich bin geheilt“, sagte er und grinste reumütig. Noch mehr Dankesschuld. „Weiß ja nicht, womit ich ein solches Wunder verdient habe. Ich bin weiß Gott kein herausragend guter Mensch. Allerdings“, beeilte er sich ihr zu versichern, „wohl auch nicht abgrundtief schlecht. Nichts Besonderes eben. Ich hätte gedacht, für ein göttliches Wunder dieser Größenordnung müßte man etwas sündenfreier sein als ich.“
    Er war kein Heiliger. Er mochte Spaß und Spiel. Er brach andauernd irgendwelche Regeln. Vielleicht sollte er sich ein freiwilliges Zölibat auferlegen – wenigstens zeitweise? Aus Dankbarkeit? Sein Beichtvater würde gewiß dafür plädieren. Er plädierte immer für Enthaltsamkeit. Udolf seufzte.
    „Vielleicht kämpfen wir nur auf der richtigen Seite“, schlug das Mädchen vor. „Diese Männer bringen die Fey um, hast du gesagt. Vielleicht haben die uns ja geholfen.“
    „Gar so mächtig können sie doch wohl nicht sein“, meinte er und fühlte sich ein wenig irritiert dadurch, daß das Erlebnis eventuell doch nicht religiöser Natur war. Göttliche Wunder waren selten. Und andere Wunder waren – wer wußte schon, was die waren?
    „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Ich weiß nicht, wie mächtig sie sein könnten.“
    Ein Eingreifen der Sí. Möglich war das. Seine katholische Seele krümmte sich ein wenig. Soviel Macht in den Händen von Wesen, deren Motive vollkommen im dunkeln lagen, beunruhigte ihn.
    „Wir werden es vielleicht nie wissen“, sagte sie. „Wer sind wir schon, daß wir so etwas erfahren?“ Sie klang erstaunlich weise mit einem Mal.
    Wenn es ein Eingreifen der Sí war, mußte er sich zumindest kein Dankeszölibat auferlegen. Das immerhin war tröstlich. Dennoch hätte er bei der Sache lieber die Hand Gottes gesehen. Doch solange es weder in die eine noch in die andere Richtung Hinweise gab, konnte er vermutlich glauben, was er mochte.
    Der schmale Pfad führte zwischen den Bäumen hinab. Steine und Erde waren schlüpfrig vor Tau. Sie mußten ihre ganze Konzentration zusammennehmen, um nicht zu rutschen oder zu fallen. Zudem mußten sie leise sein. Wenn der Baron tatsächlich Wachen postiert hatte, dann konnten die überall sein und wären vermutlich auch nicht glücklich darüber, eine Nacht im Freien zugebracht

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