Sam Aus Dem Meer
Oh, Bill, würdest du wohl ein paar Dinge aus der Stadt für mich besorgen?“
„Kein Problem. Ich fahr gleich eh noch mal los.“ Es war ihm ganz recht, wenn er hier mal kurz rauskam.
Bill schlenderte hinüber zu der Liege, auf der sie Sam – diesmal sehr sorgfältig – festgebunden hatten. Bill stellte erstaunt fest, dass ihm der Anblick des Fischschwanzes inzwischen fast normal vorkam. Wie schnell man sich doch an alles gewöhnt, dachte er. Sam war vor einer halben Stunde aufgewacht, hatte sich aber ruhig verhalten. Ob er resigniert hatte oder das noch die Wirkung des Medikaments war, konnte Bill nicht sagen. Nur wenn Abernathy sich ihm näherte, sirrte er ängstlich, was an Bills Nerven zerrte. Er wollte dieses angstvolle Zirpen nicht hören. Im Moment lag Sam aber schweigend da und sah mit seinen hellgrünen Augen zur Zimmerdecke, wo Lichtreflexionen des Wassers im Schwimmbecken tanzten.
Bill legte den Kopf schief und grinste auf Sam hinunter.
„Na? Soll ich dir auch was aus der Stadt mitbringen?“
Sam drehte leicht den Kopf und sah ihn an. Bill lächelte süffisant.
„Ich könnte mich auch, sagen wir … ein bisschen um Laine kümmern“, sagte er.
„Würdest du das tun?“, fragte Sam leise.
„Was?“
„Nach Laine sehen. Ich mache mir Sorgen, wie es ihr geht. Sie fragt sich bestimmt auch, wo ich bin …“ Sam schloss müde die Augen.
Der Schuss ging klar nach hinten los , dachte Bill. Er hatte damit gerechnet, dass Sam auf die Provokation ansprang, aber das schien nicht der Fall zu sein. Sam sah erschöpft und ziemlich bleich aus.
Du bist schon irgendwie ein armes Schwein, Sam , dachte Bill. Er würde später mit dem Doc reden, dass er Sam eine Pause gönnen sollte.
„Okay, ich sehe nach ihr“, sagte er. Sam blinzelte und nickte. Bill fühlte noch mal kurz das Mitleid in sich aufwallen, aber dann schaffte er es, das Gefühl zu unterdrücken.
In diesem Moment kam Dr. Abernathy zu ihnen herüber, und Bill bemerkte, wie Sams Körper sich sofort anspannte. Sam sirrte und stieß leise, wimmernde Töne aus.
Er hat Angst vor ihm, dachte Bill. Klar, er weiß ja auch nie, was wir als Nächstes mit ihm anstellen …
„Na Sam, das war jetzt etwas unangenehm für dich, ich weiß. Manchmal geht das leider nicht anders. Möchtest du Wasser?“, fragte Abernathy.
Sam schüttelte leicht den Kopf.
„Von dem Wasser wurde mir schlecht und schwindelig.“
„Das hier ist anders. Davon wird dir nicht schwindelig. Ganz sicher.“ Abernathy flößte Sam etwas Wasser ein.
„Sam, ich möchte, dass du etwas für mich tust. Ich kann dich nicht dazu zwingen, aber es wäre sehr wichtig, dass du mitarbeitest. Ich möchte, dass du dir noch einmal Beine wachsen lässt. Ich weiß, dass du das kannst. Es ist notwendig, dass ich das dokumentiere.“
„Das schaffe ich nicht“, sagte Sam langsam. „Und ich will es auch nicht.“
„Warum schaffst du das nicht?“
„Ich brauche dafür die Kraft, die ich nur im Meerwasser bekommen kann. Es ist sonst zu anstrengend. Wenn ich das jetzt versuche, kann mich das umbringen. Und außerdem will ich nicht, dass ein Mensch das sieht. Du brauchst gar nicht versuchen, mir wehzutun. Ich mache es nicht.“
„Du denkst, ich will dir wehtun, um dich zu zwingen? Mein lieber Junge, du kennst mich gar nicht. Ich möchte doch, dass du dich wohlfühlst. Das hier ist doch nichts Persönliches. Das ist eine wissenschaftliche Untersuchung, verstehst du das nicht? Du bist Teil einer großen Sache. Das kann man sich nicht aussuchen. Der eigene Wille ist zweitrangig … aber vielleicht solltest du jetzt wirklich eine Pause einlegen und wir reden später noch mal darüber. Bill, wir bringen ihn rüber zur Wanne. So Sam, wenn wir dich jetzt losbinden, versprichst du dann, keinen Ärger zu machen? Wir bringen dich ins Wasser zurück. Wir tun dir nicht weh. Wir bringen dich nur ins Wasser. Also?“
Sam nickte. Bill und Abernathy schnallten ihn los, trugen ihn zu der Stahlwanne und legten ihn ins Wasser. Sam rollte sich sofort zusammen und verbarg seinen Kopf unter der Fluke. Abernathy blieb neben der Wanne stehen und betrachtete sein Forschungsobjekt.
„Ich bin dann mal weg“, sagte Bill.
Bill saß am Steuer und fuhr Richtung Innenstadt. Er würde die Einkäufe erledigen und dann nach Laine sehen. Dabei musste er sich vor Stacey in acht nehmen. Sie würde über ihn herfallen wie eine Harpyie, so viel stand fest. Er hatte sich ja auch scheiße verhalten, aber irgendwie war es
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