SAM
als wäre die Raumtemperatur in den Frostbereich gesunken. Angst kriecht langsam in mir hoch. Ich kenne diesen Mann nicht mehr, der dort vor mir steht. Es ist nicht mehr der Mann, mit dem ich die letzten Nächte verbracht habe, der mir seine Liebe und Vertrauen gestanden hat, dem ich mich vollkommen hingegeben habe. Ich stehe immer noch mit dem Rücken zur Wand und mir wird bewusst, dass ich soeben Zeugin eines Mordes geworden bin. Aber Jonathan war ein Vampir, also eigentlich war er ja schon tot,…meine Gedanken spielen verrückt in meinem Kopf. Alexander kommt langsam auf mich zu. Wird er mir auch etwas antun? Panik macht sich in mir breit.
„Wir sollten jetzt gehen!“, sagt er mit dunkler Stimme, als wäre nichts geschehen.
„Was? Das kann unmöglich dein Ernst sein! Ich gehe nirgendwo mit dir hin!“ Meine Stimme ist nun etwas lauter, aber immer noch zittrig.
„Sam, das mit deiner Mutter tut mir furchtbar leid. Ich wollte nicht, dass du es erfährst,…so erfährst. Ich bin damals in einen Blutrausch verfallen, hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Ich hatte nie die Absicht sie zu töten. Ich bereue zutiefst was geschehen ist.“ Seine Stimme klingt etwas wärmer, als er wieder einen Schritt auf mich zugeht.
„Bleib weg von mir!“, fauche ich ihn an. Er schließt die Augen, atmet tief ein und scheint sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Als er die Augen wieder öffnet und mich ansieht, ist sein Blick traurig und verzweifelt, wie der eines gebrochenen Mannes. Er senkt den Kopf und sagt leise: „Du kommst nicht mit mir?“ Es ist mehr eine Feststellung, als eine Frage. Ich weiß nicht, woher ich den Mut nehme, ihm so entgegenzutreten, dennoch tue ich es. Mit fester Stimme sage ich: „Nein! Wie könnte ich? Du hast mir das Liebste genommen, was ich hatte. Du hast meine Mom getötet. Aus welchen Beweggründen auch immer. Ich kann dir nicht vergeben, was du getan hast. Niemals! Mit dieser Schuld musst du leben und von mir aus kannst du daran verrecken. Ich wünschte, ich hätte dich niemals kennengelernt. Ich wünschte, ich wäre nicht so dumm gewesen, dir zu vertrauen. Belogen und betrogen hast du mich, von Anfang an. Nein, Alexander, das mit uns war ein großer Fehler, der größte meines Lebens. Was du mir angetan hast, kannst du nie wieder gutmachen. Es ist aus! Aus und vorbei! Ich will dich nie wieder sehen.“ Die letzten Worte schreie ich ihm entgegen. Dann drehe mich um und gehe langsam, mit zittrigen Beinen, aus dem Zimmer, immer noch voller Angst, er würde mir folgen und was weiß ich was mit mir machen. Nichts dergleichen geschieht. Als ich die Tür öffne und mir die frische Luft entgegenschlägt, komme ich vollends zur Besinnung und laufe los, ich renne zu meinem Auto, werfe mich hinter das Steuer und fahre wie eine Furie davon. Das Tor! Es wird bestimmt versperrt sein. Oh, mein Gott! Ich bin gefangen..., schießt mir der Gedanke durch den Kopf. Als ich das Tor erreiche, öffnet es sich aber wie von Geisterhand. Es ist mir vollkommen egal, ob er es geöffnet hat oder Winston,…bloß weg hier, nichts wie weg.
Ich fahre schnell, so schnell mein kleiner Käfer kann. Die Tachonadel ist am Anschlag, als ich mit einem mörderischen Tempo die Landstraße entlang rase. Tausend Gedanken kreisen wild durch meinen Kopf, meine Hände krampfen sich um das Lenkrad, so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. Mein Atem geht so schnell, dass ich Angst habe jeden Augenblick zu hyperventilieren. Mein Herz hämmert gegen meine Brust. Immer und immer wieder erscheint dieser eine bestimmte Satz vor meinem geistigen Auge: Er hat Mom getötet. Weg, weiter, bloß weg von hier…..!
Die Sonne geht langsam auf. Das Rauschen des Meeres hat etwas Beruhigendes. Ich friere. Erbärmlich. Der Schock des in der Nacht Erlebten und der kühle Wind vom Meer lassen mich zittern. Tränen laufen mir unentwegt die Wangen hinunter. Seit Stunden stehe ich hier am Ufer und sehe auf das Meer und weine. Ohne Schluchzen, ohne einen Laut von mir zu geben, fallen meine Tränen in den Sand. Meine Gedanken kreisen um die Erlebnisse der Nacht. Alles scheint so schrecklich unreal. Manchmal denke ich, ich müsste doch endlich aus diesem Alptraum aufwachen. Dann aber reißt wieder eine Windböe an meiner Kleidung und der kalte Wind lässt mich erneut frösteln und mir wird klar, dass alles, was sich gedanklich immer und immer
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