SAM
klärt er mich auf.
„Das ist auch der Grund, warum wir Alex mit seiner Sichtweise vom Leben mit Sterblichen und seine Denkanstöße unterstützen. Viele der jungen Vampire sehen ihn als Vorbild. Wir sind keine Monster. Wir sind zwar auf das Blut angewiesen, sehen aber unsere Existenz nicht mehr als schrecklichen Fluch. Wir versuchen das Beste daraus zu machen, weiter unter den Sterblichen zu leben und zu genießen, was diese Form der Existenz mit sich bringt. Natürlich gibt es auch viele junge Vampire, die etwas,...sagen wir mal,...unkontrolliert ihr neues Leben auskosten und zeitweise etwas über die Strenge schlagen. Daher brauchen wir jemanden, der die alten, nützlichen Regeln kennt und sie dieser neue Generation von Vampiren nahe bringen kann und den neuen Begebenheiten anpasst. Alexander ist dieser Vampir, der alles vereint. Tradition und neues Denken.“ Ich bin sprachlos. Das Alexanders Art zu leben, solche Dimensionen annimmt, hatte ich nicht für möglich gehalten. Wenn Alex wirklich diese neue Generation von Vampiren anführt, dann ist nur allzu klar, warum die alten Vampire des Hohen Rates seinen Kopf wollen. Sie werden ihrer Macht und ihres Einflusses beraubt.
„Gibt es denn wirklich keine Möglichkeit, dass ich Alex auch nur für eine Minute sehen kann? Ich muss ihm so vieles sagen.“ Er sieht mich lange mit seinen dunkelgrünen Augen an. Dann schüttelt er den Kopf. „Nein!“
Der Ober serviert den Hauptgang, während ich immer noch in meinem Scampisalat herumstochere.
„Was willst du noch wissen? Du hast doch bestimmt noch mehr Fragen“, fordert er mich auf. Ich überlege kurz. „Wo ist er, ich meine ist er hier in London?“
„Er kam vor etwa drei Wochen zu uns nach Vincenza, Italien. Er sah furchtbar aus. Seine Wunde schien irgendwie nicht richtig verheilen zu wollen. Er hatte Fieberschübe und wir waren sehr besorgt um ihn. Meine Schwester hat sich um ihn gekümmert und sie erzählte mir, dass er immer wieder deinen Namen rief. Als es ihm dann nach zehn Tagen wieder besser ging, wollte er unbedingt zurück nach London, weil er furchtbare Angst davor hatte, dass dir etwas passieren könnte. Er sagte, er fühlt deine Emotionen und er wüsste, dass es dir nicht gut geht. Und dann hat er sich auch schon wieder aufgemacht nach England.“
Mir fällt klirrend die Gabel auf den Teller und einige Gäste schauen mich kopfschüttelnd an.
„Ist er hier?“, will ich wissen. „Bitte Luca! Kann er mich sehen?“
Wieder schüttelt er den Kopf und nimmt einen Bissen von seinem Lammfilet.
„Schließe deine Augen!“, fordert er mich schließlich auf. Wir sehen uns an und ich weiß nicht, was er damit bezweckt.
„Vertrau mir, schließe deine Augen und öffne sie erst wieder, wenn ich es sage, okay?“ Ich tue es. Meine Augen sind geschlossen. Ich fühle…nichts! Doch dann, plötzlich, spüre ich einen leichten Lufthauch. Absolute Stille. Ich konzentriere mich. Der Duft! Herb und würzig! Etwas Magisches, Unerklärliches scheint hier gerade stattzufinden. Ich inhaliere diesen verführerischen, männlichen Duft, der mich tief im Inneren berührt und mich in ein Gefühlskarussell versetzt. Ein leichtes Vibrieren scheint die Luft um mich herum zu erfüllen. Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich habe noch nie in meinem Leben die Präsenz eines Menschen mit einer solchen Intensität wahrgenommen. Mein Körper erzittert unter der Wucht der Emotionen, die durch mich hindurch jagen. Und dann genauso plötzlich ist alles wie immer. Das gedämpfte Stimmengewirr, das leise Klappern der Bestecke, der Gläser, des Geschirrs, die Musik im Hintergrund. Normalität.
„Okay, du kannst die Augen wieder öffnen“, gibt mir Luca das Zeichen. Ich öffne meine Augen und sehe ihn an.
„War Alex eben hier?“, frage ich ihn, noch immer unter dem Eindruck dieses seltsamen Erlebnisses. Er nickt. Ich blicke mich suchend um und als ich ihn nicht ausmachen kann, senke ich den Kopf und kämpfe mit den Tränen. Was gäbe ich dafür, ihn für einen Augenblick zu sehen, meine Hand auf seine Wange zu legen oder von ihm in den Arm genommen zu werden.
„Es tut mir leid, Samantha. Bitte, denk daran, dass er zu allererst um deine Sicherheit besorgt ist. Er leidet genauso wie du, glaub mir. Er wird einen Weg finden, der euch wieder zusammen führt.“ Ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an. „Ich hoffe es. Denn ich weiß wirklich nicht, wie lange ich das noch durchhalte.“ Und damit meine ich diese stählerne Faust, die
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