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SAM

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Titel: SAM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Caspary
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Freundin. Bitte lass die Finger von ihr!“, flehe ich ihn an. Er lächelt und mir ist, als wenn er das, was er sagt, auch wirklich ernst meint. „Keine Angst. Ihr passiert nichts. Ich verspreche es dir. Ich werde nichts tun, was Sterbliche nicht auch tun würden.“ Dann grinst er mich etwas schief an und steigt zu Vanny ins Taxi. Ich vertraue ihm, er wird ihr nichts antun, jedenfalls nichts Unnatürliches!
    Ich nehme mein Handy und bestelle mir ebenfalls ein Taxi. Ich lasse mich nicht ganz bis nach Hause fahren, sondern nur bis zu der kleinen Kapelle. Sie ist heute wieder länger geöffnet und ich nehme meinen gewohnten Platz in der vorletzten Reihe ein. Ich schaue zum Alter und beobachte den Pfarrer dabei, wie er die großen, weißen Kerzen am Altar anzündet. Als er sich umdreht und mich sieht, nickt er mir kurz zu. Ich schließe die Augen und lausche auf mein Herz und meinen Atem. Ich bin ruhig und entspannt und genieße diesen seltenen Zustand. Als ich merke, dass sich jemand zu mir setzt, öffne ich die Augen und blicke in das freundliche Gesicht des Pfarrers.
    „Geht es ihnen heute besser?“, fragt er leise und wendet den Blick dann wieder von mir ab.
    „Ja.“ ,flüster ich leise. Er bleibt still neben mir sitzen. Minutenlang sitzen wir einfach nebeneinander und schauen in den Kirchensaal.
    „Ich kenne jemanden, der etwas Furchtbares getan hat“, beginne ich plötzlich leise.
    „Ich kann ihm diese schreckliche Tat nicht verzeihen, ohne eine andere mir liebe Person zu verraten. Ich hätte schreckliche Schuldgefühle gegenüber dieser anderen Person, wenn ich ihm vergeben würde.“ Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich ihm auf einmal davon erzähle. Stille.
    „Ich bin hin und hergerissen zwischen meinen Gefühlen und weiß nicht, ob ich ihm jemals vergeben kann, was er getan hat“, flüstere ich leise vor mich hin. Schweigen. Dann dreht  sich der Pfarrer zu mir und sieht mich ernst an.
    „Er, das ist der Mann, den sie lieben, nicht wahr? Der ihnen den Brief geschrieben hat. Der Mann, wegen dem sie so traurig sind?“, fragt er mich leise und schaut mir mit seinen klaren blauen Augen ins Gesicht. Ich nicke. Er dreht sich wieder weg und blickt hinauf zur Kuppel. Dann atmet er einmal tief ein und aus.
    „Ich kann ihnen keinen Rat geben, was sie tun sollten, was richtig ist und was vielleicht falsch wäre“, sagt er mir und fährt dann nach einer kleinen Pause fort: „Jemanden um Vergebung zu bitten erfordert sehr viel Mut und Stärke. Jemandem zu vergeben, erfordert noch mehr Mut und…Liebe. Nur wer wirklich liebt, kann auch vergeben. Jesus Christus hat seine Jünger geliebt und konnte dem, der ihn verraten hat, auch vergeben. Es muss sehr schwer sein, eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Ich bin mir jedoch sicher, sie können auf ihr Herz vertrauen und werden das Richtige tun.“
    Er legt kurz seine warme Hand auf meine und drückt sie sacht. Dann steht er auf und geht. Ich bleibe noch einige Minuten und denke über das nach, was er eben gesagt hat. Nur wer wirklich liebt, kann auch vergeben. Als ich vor die Tür der kleinen Kirche trete, fängt es gerade an ein wenig zu nieseln. Typisch Londoner Nieselregen. Ich schließe meine Jacke und laufe nach Hause. Kaum, dass ich den Schlüssel in das Türschloss stecke, ist aus dem leichten Nieselregen auch schon ein ordentlicher Regenschauer geworden. Schnell schlüpfe ich durch die geöffnete Tür und schalte das Licht im Flur an. Ich bin allein. Die Worte des Pfarrers gehen mir nicht aus dem Kopf. Wieder streiche ich über meinen Bauch und sehe an mir herab. „Wenn du wirklich in mir bist, kleines Wesen, dann habe keine Angst. Ich beschütze dich. Du bist alles, was mir von meiner Liebe zu Alex geblieben ist und ich werde alles tun um dir eine gute Mom zu sein. Egal, was du einmal wirst oder bereits bist“, sage ich leise vor mich hin.
    Ich lege meine Hausschlüssel auf das Regal an der rechten Wand und hänge meine Lederjacke in die Kammer daneben. Ich denke an Vanny und Luca. Sie sahen toll zusammen aus. Ich hoffe, dass alles gut ausgeht und Vanny nicht das Herz gebrochen wird. Lucas Verführungskünsten zu widerstehen ist sicher nicht einfach und er wird bestimmt versuchen, naja, sie ins Bett zu bekommen. Aber Vanny ist ein großes Mädchen, sie weiß genau, was sie tut. Da Alex Luca anscheinend vertraut, setze auch ich auf meine gute Menschen- / Vampir-Kenntnis und vertraue ihm. Ich gehe in die Küche und koche mir einen Tee.

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