SAM
Alex steht in der Tür zu meinem Schlafzimmer und schaut zu mir. Ich blicke auf und bemerke erst jetzt, wie mir eine Träne über die Wange rinnt. Er kommt sofort zu mir und sieht augenblicklich, was mich zum Weinen gebracht hat. Er zieht mich vorsichtig zu sich hoch und nimmt mich in seine Arme. Er hält mich nur und sagt kein Wort. Aber ich spüre, dass er den Schmerz über den Verlust des Babys mit mir teilt. Nach einigen Minuten, löst er sacht die Umarmung und blickt mich mit seinen warmen, braunen Augen an.„Komm, wir müssen los!“
Ich packe den Rest zusammen, schaue mich noch einmal um und verabschiede mich von dem Haus, das für einige Wochen mein Heim geworden ist. Wieder einmal liegt eine vollkommen ungewisse Zukunft vor mir und wieder einmal habe ich keine Ahnung welchen Herausforderungen ich mich diesmal stellen muss. Ich hatte mich so auf einen Neuanfang mit Alex hier in London gefreut. Und nun werde ich bald in Italien sein und habe keine Ahnung, was mich dort erwartet und wie alles weitergeht. Meine Gedanken kreisen um alles, was sich in den letzten Tagen ereignet hat. Alles was ich erlebt habe erscheint mir wie ein furchtbarer, quälender Alptraum. Ich habe so viele unbeantwortete Fragen und so unendlich viele grausame Bilder fegen immer wieder durch meinen Kopf. Wenn ich doch nur für einen Moment das Erlebte verdrängen könnte. Wenn ich doch nur ein wenig zur Ruhe kommen und mein Leben wieder in Ordnung bringen könnte. Alles ist aus den Fugen geraten. Ich fühle mich leer, ausgebrannt und unglaublich schwach. Mein Körper schreit förmlich nach Ruhe und Erholung. Und meine Gedanken,…sie schreien nach Frieden und Vergessen….!
Wir fliegen mit einem Privatjet. Geld scheint in diesen Vampir-Kreisen offensichtlich keine Rolle zu spielen. Kaum sitzen wir im Flugzeug und haben unsere Reisehöhe erreicht, nimmt Alex meine Hand und beginnt: „Was ist los, Sam? Rede mit mir!“ Ich entziehe ihm meine Hand, blicke aus dem Fenster und sage nur: „Nichts! Ich bin nur müde und möchte jetzt nicht reden.“ Seine Hand war kalt und fühlte sich unnatürlich auf meiner Haut an. Irgendetwas geschieht mit mir. Das Erlebte hat zweifelsohne Spuren hinterlassen, die nicht so einfach zu verarbeiten sein werden. Ich spüre, wie er mich immer noch von der Seite ansieht und offensichtlich versucht meine Emotionen zu verstehen. Wie ich es hasse, nicht mehr ich selbst sein zu können. Was fällt diesen Vampiren eigentlich ein, in meinem Kopf und in meinen Gefühlen herumzustochern? Ich versuche mich zu verschließen. Ich will nicht, dass er irgendetwas von dem, was ich fühle wahrnimmt. Es geht ihn nichts an! Andererseits ist es auch egal, denn ich fühle im Augenblick sowieso nichts, außer einer unglaublichen Leere. Den Rest der Zeit verbringen wir schweigend. Jeder ist in seine Gedanken vertieft.
Nach dreieinhalb Stunden Flug landen wir auf einem kleinen Privatflugplatz in der Nähe von Vincenza. Gerade geht die Sonne unter und taucht das Land in wundervoll warme Rottöne. Als wir die Treppe hinuntersteigen, weht uns ein leichter, warmer Wind entgegen. Die Luft duftet nach Pinien und Lavendel und streicht sacht über meine Haut. Mein Körper schmerzt immer noch. Vor allem mein verstauchter Knöchel und die Schulter tun immer noch sehr weh. Alex nimmt mein kurzes, leises Stöhnen sofort war und will mir unter die Arme greifen. Ich zeige ihm aber mit einer deutlichen Geste, dass ich alleine klar komme. Eine Limousine kommt vorgefahren und wir steigen ein. Der Fahrer verstaut unser Gepäck, während ich aus dem Fenster blicke und die wunderbare Landschaft betrachte. Ich war noch nie in Italien. Aber jeder, den ich kenne, der einmal hier war, schwärmt von der Landschaft, den wunderbar herzlichen Menschen, der köstlichen italienischen Küche und dem Dolce Vita. Wie gerne würde ich mich davon anstecken lassen. Wie gerne würde ich das Erlebte einfach abstreifen und das Leben in vollen Zügen genießen. Aber mein Gemütszustand lässt dies im Augenblick nicht zu. Zu tief sind die körperlichen und seelischen Wunden, die mir zugefügt wurden.
Nach ungefähr fünfzehnminütiger Autofahrt, in der wir beide wieder schweigend nebeneinander sitzen, biegt der Fahrer in eine schmale Zufahrt ein. Links und rechts erstreckt sich ein wundervoller Pinienhain. Nach ein paar hundert Metern lichtet sich der Hain und ich blicke zur rechten auf ein traumhaft schönes Grundstück mit einer großen Villa. Als wir in
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