SAM
dich!“, sage ich atemlos und mit strahlenden Augen. Er stutzt und wartet ab, ob ich dem eben Ausgesprochenen noch etwas folgen lasse.
„Das...hatte ich bereits vermutet. Es deutete so einiges darauf hin. Vor allem unsere Hochzeit in einer Woche lässt den Schluss zu, dass du mich vielleicht doch magst.“ Da ist es wieder, dieses unglaublich süße, schiefe Grinsen um seine Mundwinkel.
„Jeder halbwegs anständige Kerl würde diese Situation jetzt natürlich nicht zu seinen Gunsten ausnutzen…! Aber du weißt, ich bin abgrundtief böse und alles andere als ein anständiger Kerl…!“ Damit stellt er die noch ungeöffnete Flasche Bier auf den Esstisch, nimmt meine Hand und zieht mich die Treppe hinauf in unser Zimmer. Ich hoffe, die Wände sind besser schallisoliert, als in meinem Londoner Haus…!
Es ist Freitag. Heute ist der Tag der Anprobe! Das Hochzeitskleid ist heute morgen angekommen. Eine Mitarbeiterin des Designers hat es persönlich hierher gebracht, um eventuell noch kleinere Änderungen vornehmen zu können. Meine beiden anderen Freundinnen aus Arizona, Claudia und Jessie, sind ebenfalls bereits eingetroffen und es gab ein herzliches „Hallo!“ und viele feste Umarmungen, als wir uns nach so langer Zeit endlich wiedergesehen haben. Sie haben ihre Zimmer in dem Haus neben den Stallungen bezogen und sind mehr als beeindruckt von meinem Leben hier in Italien. Jetzt sitzen wir in Vanessas Zimmer, trinken Prosecco und warten gespannt auf die Enthüllung des Brautkleides. Wir, das sind Francesca, Vanessa, Claudia, Jessie und ich. Es ist fast wie in alten Studienzeiten, als wir auch bei einem von uns auf dem Zimmer gehockt haben und den neuesten Klatsch und Tratsch der Uni unter die Lupe genommen haben. Fast genauso, nur dass heute ein unsterblicher Vampir zwischen uns sitzt und mit uns lacht und scherzt. Wir schwatzen und kichern und können es kaum erwarten das Kleid endlich ausgepackt zu sehen. Schließlich hat Marie, so heißt die fleißige, rechte Hand des Designers, das Kleid von der umfangreichen Verpackung befreit und hält es endlich hoch. Sie hängt es vorsichtig an den Kleiderschrank gegenüber dem Bett, auf dem wir wie die Hühner auf der Stange hocken. Ein „Oh“ und „Ah“ entfährt meinen Freundinnen und Francesca lächelt zufrieden und sieht mich auffordernd an.
„Los, Sam, zieh es an!“, drängt mich Jessie. Mit einem leichten Seufzer stehe ich auf und gehe zu Marie, die mir beim Anziehen behilflich ist. Es ist alles so unwirklich. Ich bin eine Braut. Ich werde heiraten. Plötzlich fühle ich mich viel zu jung und unreif dafür. Während ich beginne mich zu entkleiden, vergesse ich vollkommen, dass Alex in den letzten Nächten recht fordernd war und seine Bissmale an mehr als einer Stelle meines Körpers hinterlassen hat. Erst als ich in Slip und BH vor Marie stehe, wird mir die Situation bewusst, doch da ist es bereits schon zu spät.
„Oh, mein Gott, Sam! Was sind das denn für blaue Flecken an deinem Arm und Hals und…Schenkeln? Claudia kommt näher, um einen besseren Blick darauf werfen zu können. Ich drehe mich verlegen weg und höre sogleich Jessie sagen: „Und dort im Nacken auch.“ Francesca steht schnell auf, stellt sich zwischen Claudia und mich und hilft mir ins Brautkleid, dass Marie bereit hält.
„Sam ist letzte Woche etwas unglücklich im Stall gefallen. Bis zur Hochzeit sind die blauen Flecken bestimmt nicht mehr zu sehen“, erklärt sie und blickt mich eindringlich an. Mir entgeht Vanessas Blick nicht, der besorgt ist, verbunden mit einer guten Portion Verärgerung und Unverständnis. Als ich das Kleid endlich anhabe und Marie und Francesca vor mir kniend an mir rumzupfen, denke ich darüber nach, dass ich noch viel zu oft leichtsinnig und unbedarft bin. Ich muss das Geheimnis meiner vampirischen Freunde und Alex besser schützen. Ich muss in Zukunft aufpassen, was ich tue, was ich sage oder womit ich mich kleide, wenn Alex von mir trinkt und seine Spuren auf meinem Körper hinterlässt. Ich steige in die Hochzeitsschuhe und drehe mich schließlich als fertige Braut zu meinen Freundinnen um. Schweigen. Keine Reaktion. Sie starren mich nur mit weit aufgerissenen Augen an. Nur in Vanessas Gesicht erkenne ich eine Regung. Ich glaube in ihren Augen Tränen zu sehen.
„Gefällt es euch?“, will ich dann doch wissen und blicke Francesca hilfesuchend an.
„Du siehst umwerfend aus!“, bestätigt sie mir und lächelt mich aufmunternd an.
Weitere Kostenlose Bücher