SAM
anders. Schlimmer, bedrohlicher.“
„Kannst du diesen Kerl beschreiben?“ Alexanders Ungeduld und Zorn sind nun nicht mehr zu überhören. Ich gebe ihnen die Beschreibung des Mannes. Luca nickt Alex zu und verschwindet erneut, um seinen Leuten Anweisung zu geben, nach dem Kerl zu suchen. Alexander nimmt meine immer noch eiskalte Hand in die seine.
„Wir werden den Kerl finden. Hab keine Angst mehr Sam. Ich werde nicht zulassen, dass er dir noch einmal wehtut.“ Alexanders Worte wirken beruhigend, aber wir wissen beide, dass der Unbekannte schon längst über alle Berge ist und wir vermutlich niemals herausfinden werden, wer er ist und warum er hier war.
„Glaubst du es war einer von Balthasars Männern?“, frage ich meinen Mann aufgeregt. Alex sieht mich aus dunklen Augen ernst an.
„Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Bastard Spione ausgeschickt hat, um sich bestätigen zu lassen, dass wir geheiratet haben. Ärgerlich nur, dass es diesem Kerl offenbar gelungen ist, durch unser Sicherheitsnetz zu gelangen.“ Alexanders Gesichtszüge sind verhärtet, seine Augen sind dunkel und es ist ihm deutlich anzusehen, dass er über etwas nachgrübelt, während er immer noch meine Hand hält. Inzwischen wird der Hauptgang serviert. Keinem der Gäste ist offensichtlich etwas aufgefallen, niemand hat von dem Vorfall etwas mitbekommen. Ohne sich mir zuzuwenden flüstert mir Alex leise zu: „Ich wünschte mir so sehr, dass man uns wenigstens an unserem Hochzeitstag in Frieden lässt.“ Wut und Traurigkeit sind deutlich in seiner Stimme zu hören. Ich drücke sacht seine Hand.
„Wir dürfen uns diesen, unseren Tag, nicht von solchen Vorkommnissen verderben lassen. Vielleicht habe ich auch überreagiert. Vielleicht sollten wir der Sache einfach nicht so viel Aufmerksamkeit schenken“, versuche ich mich und ihn zu beruhigen. Aber ich werde in der nächsten Minute bereits Lügen gestraft. Luca kehrt zurück in das Festzelt und sein Gesicht spricht Bände. Irgendetwas Furchtbares muss geschehen sein. Er kommt eilig zu unserem Tisch und flüstert Alexander leise etwas ins Ohr, so leise, dass ich auch nicht den Hauch einer Chance habe, etwas zu verstehen. Aber Francesca, mit ihren besonderen vampirischen Wahrnehmungen, scheint genau zu verstehen, was ihr Bruder seinem Freund zuflüstert. Sie hat in den vergangenen Minuten immer wieder in meine Richtung geschaut, so als hätte sie doch etwas von den Geschehnissen mitbekommen. Auch dass ihr Bruder mehrfach eilig seinen Platz verlassen hat, ist ihr nicht entgangen. Und nun sehe ich das erste Mal, wie meine Freundin die Fassung verliert. Ihre Augen werden dunkel und ihr Gesicht blass und blasser, je länger das flüsternde Gespräch zwischen Alex und Luca andauert. Dann formt sich ein entsetztes, von Fassungslosigkeit gezeichnetes „Nein!“ auf ihren Lippen und sie steht abrupt vom Tisch auf und rennt aus dem Zelt. Ich springe ebenfalls auf und laufe meiner Freundin hinterher.
„Sam! Nein!“, ruft mir Alex noch hinterher, bevor auch er und Luca hinter mir her stürmen. Ich achte nicht auf die erschrockenen und verwunderten Gesichter der Gäste, ich muss zu Francesca, ich weiß plötzlich mit absoluter Gewissheit, dass etwas Schreckliches passiert sein muss. Ich folge Francesca mit wehenden Brautkleid durch den Pinienhain in Richtung der Stallungen. Es dauert nur wenige Sekunden und schon nehme ich den beißenden Brandgeruch wahr. Oh, mein Gott, hat dieser Kerl etwa die Stallungen in Brand gesetzt? Eine Haarspange löst sich aus meinen Haaren und die daran festgesteckten Blüten fallen herab, als ich wie von Furien gejagt hinter Francesca hinterher hetze. Der Pinienhain lichtet sich und ich sehe Francesca auf der Einfahrt zu den Stallungen und dem Haus der Dairuns stehen. Sie steht nur da und starrt in Richtung des Hauses. Dahinter erkenne ich die Rauchschwaden und hohe Stichflammen, die aus den Stallungen emporschießen. Ich nähere mich langsam der Szenerie und mit jedem Schritt eröffnet sich mir unsagbares Grauen. Auf dem Kies des Vorhofes liegen Körper, leblose Körper. Jetzt bin ich nur noch wenige Schritte von Francesca entfernt und der Horror packt mich nun vollends. Vor uns liegen die toten Körper von fünf Dairuns und eines Kindes. Ich schlage entsetzt die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Die Toten liegen seltsam verbogen auf dem Kies und tiefrote Blutlachen haben sich um ihre entstellten Gesichter gebildet. Bei den Männern
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