SAM
dieser Balthasar und wie kann man verhindern, dass noch mehr unschuldige Menschen sterben? Alex löscht das Licht im Bad und klettert zu mir unter die Bettdecke. Am Himmel sind die ersten Morgenröte zu erkennen, als sich wie von Geisterhand auch hier die schweren Jalousien beginnen zu schließen. Alexander bemerkt meinen leicht verwunderten Blick.
„Als ich allein gelebt habe, habe ich es immer genossen, die ersten zaghaften Strahlen der Sonne am Horizont auf meiner Haut zu spüren. Es ist nicht besonders schmerzhaft, eher wie ein winziges Kribbeln auf der Haut. Es gab mir immer das Gefühl lebendig zu sein. Deswegen schließen sich die Jalousien hier später als in den anderen Räumen.“ Klärt er mich auf. Alexander liegt auf dem Rücken und ich bemerke, dass er immer noch die Augen geöffnet hat, als ich mich in seinen Arm kuschle. Das Zimmer ist inzwischen in tiefe Dunkelheit gehüllt.
„Wir haben zwei unserer besten Männer verloren“, sagt er tonlos. Ich streiche mit der Hand über seine Brust. Seine Haut ist warm und ich fühle deutlich sein Herz schlagen.
„Wird es weitergehen?“, frage ich ängstlich.
„Das war erst der Anfang“, ist seine grimmige Antwort. Dann schenkt er mir einen Kuss auf die Stirn und streicht sacht mit seinen Fingerspitzen über meine Schulter.
„Wer oder was sind die Schwarzen Schatten?“, will ich neugierig wissen, denn mir ist nicht entgangen, dass, sobald sie erwähnt werden eine ungute Anspannung zu fühlen war.
„Verfluchte Seelen. Sie wandeln in einer Art Zwischenwelt, sind dort auf ewig gefangen und niemals in der Lage Frieden zu finden.“
Seine Erklärung jagt mir eiskalte Schauer über den Rücken.
„Was…? Woher kommen sie? Waren das einmal Menschen?“
Alexander holt tief Luft: „Es heißt, es wären die Seelen der Vampire! Niemand will sie haben. Es gibt keinen Platz in der Hölle und erst recht keinen im Himmel für uns.“ Alex räuspert sich und seine Stimme klingt zynisch: „Der Teufel will uns nicht und Gott…?“
„Was?“, rufe ich laut aus und setze mich auf. „Willst du damit sagen, dass du niemals Frieden finden wirst, nicht einmal, wenn du tot bist?“ Er dreht den Kopf zu mir und der Schmerz in seinen Augen krampft mein Herz.
„Wir sind Kreaturen, die niemand haben will. Weder auf Erden, noch nachdem wir unsere irdische Existenz, aufgegeben haben.“ Ich erinnere mich an seine Worte damals im Wald: Alles was natürlich ist, ist makellos, hat einen Sinn und Zweck und eine Bestimmung und einen Grund zu existieren. Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt in diese Welt gehöre?
„Nein, Alex. Du wirst nicht so enden. Ich weiß es. Wenn…wenn es wirklich einen Himmel gibt, dann wird deine Seele ihren Weg dorthin finden. Du bist ein guter Mensch, du rettest Leben, du tötest nur aus Notwehr um die, die du liebst zu beschützen. Was kann daran falsch sein?“ Ich ernte für mein so enthusiastisch vorgetragenes Plädoyer für seine unsterbliche Seele nur ein winziges, dankbares Lächeln und einen fast schon sarkastischen Kommentar: „Es ehrt dich, dass du so nobel von mir denkst.“ Seine Augen verfinstern sich und plötzlich spüre ich eine eisige Kälte, die von ihm ausgeht.
„Aber ich bin ein Killer, Samantha. Ich habe unzählige Leben genommen nur um meine Gier nach Blut zu befriedigen. Ich hätte nicht töten müssen, aber ich habe es getan, hundertfach, tausendfach. Ich habe gelogen, betrogen und gemordet.“ Mein Herz rast und meine Gedanken fegen durch meinen Kopf. Alexander spürt wie aufgewühlt, unsicher und verwirrt ich bin.
„Aber du bist nicht mehr so, wie du einmal warst. Du tötest keine Menschen mehr nur um ihr Blut zu trinken. Du hast dich geändert, du hast Mitgefühl, bist fürsorglich, du liebst…!“ Verdammt, er hat es nicht verdient verflucht zu sein. Gibt es denn keine Gnade, keine Vergebung für die Vampire?
„Die Alten Schriftrollen wären so immens wichtig für uns gewesen. Dort steht so vieles über unsere Art geschrieben. Dort soll auch stehen, was mit unseren Seelen geschieht, wenn wir denn überhaupt eine haben…“, flüstert er leise. Ich lege mich wieder neben ihn und starre in die Dunkelheit. Gibt es denn keine Hoffnung für ihn? Wozu all dieses Gehabe, das Festhalten an Riten und Traditionen? Was kann ich bewirken, um ihn und seine verlorene Seele zu retten? Gibt es denn keine Möglichkeit ihn zu erlösen?
„Wir sollten schlafen, Sam. Morgen werden meine Männer und ich
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