SAM
unheimlich, fast furchteinflößend. Es ist nicht sehr viel wärmer hier drinnen als draußen. Einige vereinzelte Kerzen brennen hier und da in einer der vielen verwinkelten kleinen Ecken der Seitenschiffe. Außer unseren lauten Schritten auf dem unebenen Steinfußboden hört man nur noch den Wind um das Gemäuer streifen. Es hört sich an, wie ein Flüstern,… ein zischendes Wispern, boshaft und gemein. Ich schaue mich um und entdecke einige sehr seltsame Figuren, die die Kapitelle der Säulen schmücken: Fratzen, Kobolde, Fledermäuse,…grimmige, furchteinflößende Gesichter, die auf uns herabstarren und in dem flackernden Licht der brennenden Kerzen zum Leben erweckt erscheinen. Die Holzfiguren von Jesus Christus sind von außergewöhnlicher Plastizität, sein gequälter Gesichtsausdruck beim Ertragen der Schmerzen der Kreuzigung, erschrecken mich so sehr, dass ich einen Aufschrei unterdrücken muss. Die kleinen Gemälde an den Wänden zeigen Gestalten, wie aus einer anderen Welt, pferdefüßige Menschen mit boshaften Gesichtern, Sagengestalten. Ist dies wirklich eine christliche Kirche? Mit kommen Zweifel. Ein Schauder durchfährt mich und unwillkürlich ziehe ich wieder Rhys Aufmerksamkeit auf mich. Ich nicke ihm mit einem angedeuteten, leicht gequälten Lächeln zu und gehe weiter neben ihm den Mittelgang entlang und folge der alten Nonne. Hinter dem Altar an der Wand des Chorganges befindet sich eine schwere Holztür. Die Nonne öffnet sie unter Aufbringung ihrer Kräfte und deutet uns hinein zu gehen. Es handelt sich um einen dunklen Gang, der offensichtlich unter den Berg führt. Rhys sieht mich aufmunternd an und nimmt meine Hand in seine. Sofort durchfährt mich seine Wärme und ein Gefühl der Sicherheit. Oh, ja, ich werde diese warme Hand so bald nicht wieder loslassen, jedenfalls nicht so lange wir uns in dieser Abtei befinden. Kaum, dass wir in den Gang getreten sind, ächzt die Tür hinter uns und fällt krachend zurück ins Schloss. Wir stehen im Dunkeln. Der gemauerte Gang führt stetig nach unten, so viel kann ich noch erkennen, da sich direkt über uns ein vergitterter Luftschacht befindet, durch den ein wenig Licht fällt. Die kalten Steinwände sind feucht und der Fußboden ist uneben und glitschig. Meine Finger schließen sich etwas fester um Rhys‘ Hand.
„Angst?“, fragt er mich und mir entgeht nicht, dass seine dunklen Augen amüsiert aufblitzen. Es ist zwecklos ihm etwas vorzumachen und deswegen nicke ich zaghaft. Er dreht sich zu mir, so dass wir uns sehr nah gegenüberstehen.
„Ich habe bei meinem Leben geschworen dich zu beschützen. Dir wird nichts passieren. Vertrau mir, Samantha.“ Wir sehen uns lange an und plötzlich hebt er sacht seine Hand und streicht zärtlich mit seinem Zeigefinger über meine Wange: „Vergiss nicht, ich trage dein Zeichen über meinem Herzen. “ Seine dunkele Stimme klingt samtig und das erste Mal seit ich ihn kenne, scheint er mir für die Winzigkeit eines Augenblicks sein wahres Ich zu zeigen. Er ist kein Monster. Er ist ein Mann, der vor langer Zeit geliebt hat und irgendetwas Furchtbares hat diese Liebe zerstört und ihn zurückgelassen mit seinem Schmerz. Ich schlucke den dicken Knoten hinunter, der sich plötzlich in meinem Hals befindet und bemerke gerade noch, wie Rhys seine Hand ruckartig zurücknimmt und sein Körper sich anspannt. Er weicht meinem verwirrten Blick aus, wendet sich von mir ab und schaut den Gang hinunter, der sich nach ein paar Metern nach links windet. „Bleib hinter mir, Sam. Was immer uns dort unten erwartet, sage nichts und verschließe deine Gedanken.“ Er dreht sich noch einmal zu mir um, als wolle er noch etwas sagen. Doch er verwirft anscheinend den Gedanken und wir machen uns vorsichtig auf den Weg. Es ist jetzt so stockdunkel, dass ich kaum die Hand vor Augen sehen kann. Rhys macht die Dunkelheit natürlich nichts aus. Ich bin vollkommen auf ihn angewiesen und wäre ohne ihn verloren. Er hält meine Hand fest in seiner und führt mich sicher durch das Gemäuer. Mein Herz klopft heftig gegen meine Brust und mein Atem geht schnell. Mir wird bewusst, wie sehr ich auf ihn angewiesen bin und dass ich ihm in wahrsten Sinne des Wortes blind vertrauen muss. Auch wenn er mir mehr als einmal zu verstehen gegeben hat, dass er gerne einmal von meinem Blut kosten würde, vertraue ich ihm. Was bleibt mir auch anderes übrig.
Als wir am Ende des Ganges angekommen sind, müssen wir einige Treppen hinunter gehen. Ich komme
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