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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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Himmels fügen wollte, oder ein anderer würde es an seiner Statt tun.
    »Solange du bei mir bist, schlafe ich nicht«, beteuerte er, »solange ich ohne dich bin, schlafe ich nicht.«
    Wenn dieser Mann schenkte, dann machte er tributpflichtig, wenn er liebte, dann riß er an sich, nahm und verstieß. Damit war es nun allerdings vorbei. Es war Nazira, die ihn verstieß, jedes Mal aufs Neue, sobald er um die Gunst ihres Herzens anhielt. Die Gunst ihres Körpers, oh, die war sie verpflichtet, ihm zu gewähren! Aber sie verachtete ihn dabei und ließ es ihn spüren. Sie kratzte und biß nicht einmal, wie es Sitora getan. Die bewegungslos abwartende Kälte ihrer Herablassung war schlimmer.
    Die Ratgeber an Timurs Hof bedrängten ihn, sie zu Toktamisch zurückzuschicken oder zu töten; auf Dauer sei’s dem eigenen Leben nicht zuträglich, eine Schlange im Ärmel zu hätscheln. Er aber setzte sie sogar neben sich auf den Thron, einen weißen Felsquader, der für ihn vom Himmel herabgefallen, für ihn allein. Hätte sie nicht nur Gefühl für ihren Lieblingsfrosch gezeigt, er hätte den Rest des Lebens damit verbracht, seine Hauptstadt mit prächtigen Gärten und Kanälen für sie zu schmücken, mit Palästen, Medressen, Moscheen, die Fassaden aus glasierten Kacheln, märchenhaft leuchtenden Steinteppichen.
    Doch Timurs Haar war schlohweiß, in seinem Bart ein paar allerletzte rote Strähnen, er war ein Greis. Seine Haut schimmerte oliv, sein verschlagener Blick kam aus grauen Katzenaugen, er war ein Tatar. Sein rechtes Bein war kürzer als das linke, mittlerweile hinkte er stark, überdies hatte er Verwachsungen an der rechten Schulter, er war ein Krüppel. Die rechte Hand, von einer Pfeilwunde aus seiner Zeit als Viehdieb nie ganz genesen, hatte Mühe, die Zügel in der Hand zu halten. Ein ungehobelter Ziegenhirte war er sowieso, mit seinen Vertrauten sprach er eine derbe Variante des Türkischen, er war ein Emporkömmling aus der Steppe. Zwar ließ er sich zur Unterhaltung gelegentlich persische Chroniken vorlesen, wußte sogar kleine Inkorrektheiten des Vortrags anzumahnen, weil er die Texte auswendig kannte, selber lesen konnte er aber nicht, würde es niemals können, er war ein Barbar. Seine geschlitzten Augen sagten alles. Wie hätte Nazira Gefühle für ihn haben können?
    Für wen hatte sie überhaupt je Gefühle gehabt? Außer für ihren Lieblingspapagei? Das immerhin ließ sich mithilfe der Spitzel an Toktamischs Hof herausbekommen: Nicht etwa den Khan, sondern einen gewöhnlichen Diener hatte sie geliebt, auch er aus dem nordiranischen Hochland stammend und sofort seines Lebens verlustig, als das Verhältnis der beiden entdeckt worden. Anscheinend liebte sie ihn noch immer.
    Nun war Timur seit Jahrzehnten als passionierter Sammler von Schmuck bekannt, den er seinen erschlagenen Gegnern abgenommen hatte: Ringe, Ketten, Armreife, Gürtelschnallen, Kronen … Samt diesen Insignien einstiger Macht wurden ihre Köpfe reihum in den Städten des Reiches zur Schau gestellt, so gehörte es sich, dann kamen die Insignien in die
Halle des Dunklen Wächters
, wurden Teil des Kronschatzes. Jetzt ließ er sie, Stück für Stück, wieder hervorholen, um Haar, Hals, Handgelenke, Hüften, Finger, Fesseln von Nazira zu schmücken. Es machte sie noch schöner. Aber keine Spur gefügiger.
    »Und wären die Hufe all deiner Rosse aus Gold, so wäre ich doch nicht geblendet von deinem Reichtum«, ließ sie den Gnädigen Gebieter wissen, »und wären all ihre Sättel aus Gold, ich würde doch nicht mit dir reiten.«
    Da verfiel Timur auf die Idee, ihr das kostbarste Schmuckstück zu schenken, das er besaß: Dschingis Khans Wolfszahn am blauweiß gekordelten Band. Er ließ Nazira in ihren Lieblingspark rufen, den er ganz nach ihren Vorstellungen wie einen persischen Rosengarten hatte anlegen lassen, in jedem Eck ein Pavillon, in der Mitte ein dreistöckiger weißer Palast: den
Garten, der das Herz erfreut.
Nazira liebte es, auf den marmorgefliesten Wegen zu flanieren. Timur liebte es, über Blumenbeete und Hecken auf sie zuzugaloppieren und sein Pferd erst knapp vor ihr zum Stillstand zu bringen. Zwar ritt er noch immer wie kein zweiter, aber in den Sattel kam er ohne fremde Hilfe nicht mehr. Also saß er so selten wie möglich ab, blieb auch jetzt hoch zu Roß.
    Es war schwer, eine Prinzessin aus Persien zu beeindrucken. Diesmal hatte er jedoch ein Geschenk für sie, das ihr den Atem verschlagen und ein für allemal die Verstocktheit

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