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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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sobald Kaufner für die Fahrt gezahlt hatte, waren die zwei Plätze auf der Rückbank im Handumdrehen vergeben. Der Fahrer eines solchen Wagens war hier ein König und ließ sich von den anderen Verkehrsteilnehmern entsprechend huldigen; jedes Mal, wenn eine Schafherde die Straße querte, beschleunigte er mit Lust und verkündete, er wolle »Schaschlik machen«, um erst im letzten Moment zu bremsen. Am Fuß des Turkestanrückens gab es aber selbst für ihn kein Weiterkommen, Vollsperrung, angeblich wegen Bauarbeiten auf der Strecke. Der Fahrer fluchte, er wußte es besser: Die Chinesen!
    Das Warten darauf, daß die Straße wieder freigegeben wurde, zog sich hin. Merkwürdigerweise war die Sperrung genau dort, wo ein Landgasthof stand; man trank grünen Tee und verfolgte nebenbei die Kämpfe amerikanischer Boxer im Fernsehen. Bald hatte Kaufner auch den Rest an Horrorgeschichten gehört, die über die Foltermethoden der Usbeken kursierten (glühendes Silber in Augen und Ohren gießen; die Ohren am Schädel festnageln); über die systematische Unterwanderung Tadschikistans durch Usbeken (die fruchtbarsten Äcker in Besitz nehmen und alle anderen in höhere Lagen abdrängen); über unsittliche Beziehungen der Usbeken zu einheimischen Frauen und Mädchen (als ob sie, die Usbeken, hier schon nicht mehr zu den Einheimischen gerechnet wurden). Auch über die Russen in den Tälern hörte er einiges, über die Chinesen in den Bergen, weder die einen noch die anderen schien man zu mögen. Kaufner war in jeder Hinsicht froh, als es nach sechs Stunden weiterging.
    Kaum war das Seil, mit dem man die Straße gesperrt hatte, zur Seite gezogen, ging ein Wettrennen los, bei dem man als Fahrer eines Mitsubishi Pajero jedem zeigen konnte, daß man der Chef war. Doch nach wenigen Kilometern eine weitere Absperrung, diesmal mitten in der Landschaft. Was sich an Fahrzeugen auf Höhe des Gasthofs noch locker im Gelände verstreut hatte, staute sich nun auf engstem Raum, es bildeten sich vier Warteschlangen über die gesamte Breite der Straße und darüber hinaus. Weil es keinen einzigen Meter voranging und sich die angestaute Energie nicht anders entladen konnte, ruckelte man wenigstens Zentimeter um Zentimeter voran, bis man Stoßstange an Stoßstange stand. In der äußerst rechten Schlange hupte und blinkte ein weißer Mercedes 600 so lange, bis der Wagen vor ihm ausscherte und zwei, drei Meter ins Brachland hineinfuhr, bis er steckenblieb. Auf ähnliche Weise arbeitete sich der Mercedes ein ganzes Stück voran, manchmal sah man den Fahrer, einen fülligen Mann, wie er ausstieg und andere zusammenstauchte, die nicht so einfach Platz machen wollten.
    Am Ende der achten Stunde kam eine Kolonne chinesischer Lastwagen, mit Erde beladen, offensichtlich von besagter Baustelle hoch oben am Berg – ein Dutzend fabrikneuer Fahrzeuge, alle im gleich leuchtenden Gelb lackiert, an dem man sie schon aus der Ferne erkennen sollte. Platz machen konnte man trotzdem nicht, die Lkws mußten linker Hand in die Felder hinein, um vorbeizugelangen. Diesmal konnte das Seil gar nicht beiseite gezogen werden, so schnell ging das Wettrennen wieder los. Als ob jeder einen Winter lang mit Kaufner gewartet hätte, nun endlich ins Serafschantal hinüberzukommen. Auf beiden Seiten der Schotterpiste ab und an Planierraupen und Baumaschinen aller Art, verkrustet vom Staub der Jahrzehnte. Daran angelehnt, zu Scheiben geformt, trocknende Kuhfladen. Von den Berghängen leuchteten in riesigen Lettern Schriftbänder, aus weißen Steinen gefügt, oder Umrisse von Kronen, Pferden, Gewehren. Die Gipfel des Turkestanrückens waren hier nur gut viertausend Meter hoch, dennoch wirkten sie nach dem halben Jahr Winterpause in Samarkand gigantisch.
    Auf einer unbefestigten Piste mit gewaltigen Schlaglöchern ging es bergauf, bald lagen die ersten Fahrzeuge mit kochendem Motor am Straßenrand oder mitten im Weg. Diejenigen, die noch im Rennen waren, versuchten, einander um jeden Preis zu überholen, es war Ehrensache. Tief im Abgrund sah man immer wieder Wracks, auch Lkws; blickte man zurück, war die Bergflanke in eine gewaltige Staubwolke gehüllt. Wo die Baustelle der Chinesen hätte sein können, war nicht zu ersehen; man verstand allerdings, daß sie den Weg bergab lieber ohne Gegenverkehr hatten fahren wollen.
    Dann brach die Nacht an und kurz darauf die Apokalypse: Hinter einer Haarnadelkurve die Piste plötzlich komplett überflutet, sprudelnde Wasser, als hätte sich der

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