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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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Er spürt in sich eine irre Lust, die Blumenbeete zu zertrampeln. Dieser kurzgeschorene Vorgartenrasen scheint ihn zu verhöhnen. Die Kletterrosen an der Garage lachen ihn aus. Die Lilien grinsen breit hinter ihm her und wenden spöttisch die Köpfe ab, wenn er sich nach ihnen umdreht.
    Er drückt den Klingelknopf. Er hat das Glockenspiel schon oft gehört. Schließlich ist er nicht zum ersten Mal hier. Aber heute macht es nicht Kling-Klang-Kloing. Heute lacht es metallen: Na-du-Arsch!
    Unwillkürlich hebt er den Kopf, lauscht.
    Im Haus Elke Schmidtmüllers erleichterte Stimme: „Renate!“
    Sie eilt zur Tür. Sie kriegt sie gar nicht schnell genug auf. Die Enttäuschung in ihrem Gesicht, als sie ihn sieht, trifft ihn im Magen. Scharfkantige Eisklumpen reiben dort gegeneinander. Gletschereis. Jahrhunderte alt.
    Was es dir jetzt so schwermacht, einen vernünftigen Satz herauszukriegen, Wolf, ist das der Schmerz der Ungeliebten, der Zurückgewiesenen, oder das schlechte Gewissen des Mörders?
    Wer hat das gesagt? Er schaut sich um. Die Lilien.
    „Ich wollte … ähm, ich …“
    Hinter Frau Schmidtmüller taucht Yogis neugieriges Gesicht auf. Wolf versucht, Yogi in die Augen zu sehen. Aber das geht nicht, denn Yogis Augäpfel bewegen sich plötzlich nicht mehr koordiniert. Sie fixieren verschiedene Punkte. Links oben und ganz rechts.
    Yogi atmet heftig und gequält. Frau Schmidtmüller dreht sich zu ihm um. Sie erkennt, dass er fallen wird. Sie packt sofort zu.
    „Schnell, hilf mir!“, ruft sie Wolf zu. Er springt ins Haus und hält Yogi, der stocksteif nach hinten umkippt. So ist er schon einmal mit dem Kopf gegen die Heizung gedonnert.
    „Wenn der Junge fällt, dann immer gleich so unglücklich“, stöhnt Elke Schmidtmüller.
    Schon sind auch Siggi und Josef Schmidtmüller da. Sie tragen Yogi ins Wohnzimmer, legen ihn auf die Couch. Frau Schmidtmüller macht einen Waschlappen feucht und legt ihn auf Yogis Stirn.
    „Ich wollte dich abholen. Kommt Renate mit?“, fragt Wolf. Er hält diese Frage für sehr klug. So ahnt niemand, dass er etwas weiß. Aber er erhält keine Antwort. Niemand interessiert sich für ihn. Yogi ist der Punkt, um den alles kreist.
    Schmidtmüller holt eine Wolldecke für Yogi. Frau Schmidtmüller ist schon froh, dass Yogi keinen Krampf bekommen hat. In seinen Krämpfen presst er die Zähne so fest aufeinander, dass sie knirschen. Es sind auch schon Ecken dabei rausgebrochen. Aber so schlimm wird es heute nicht werden. Sie braucht ihm kein Taschentuch zwischen die Zahnreihen zu schieben.
    Yogis Beine beginnen zu zittern. Er japst nach Luft. Gleich wird alles vorbei sein.
    Siggi legt seinem Bruder die Handflächen auf die Knie. Er hofft, ihn so zu beruhigen. Es ist ihm irgendwie peinlich, dass Wolf mitkriegt, was hier passiert.
    Siggi sieht seine Eltern an. Er braucht nicht dabei zu bleiben. Sie kümmern sich um Yogi.
    Er stupst Wolf an und deutet mit einer Kopfbewegung auf sein Zimmer. Wolf geht voran. Er kennt sich hier aus. Im Wandspiegel sieht er Yogi.
    Er spürt Erleichterung. Der ist als Zeuge nichts wert. Völlig ungefährlich. Ein bisschen von dem Eis in seinem Magen taut.
    Er betritt Siggis Zimmer. Die Reichskriegsflagge über dem Bett gibt Wolf ein gewisses Sicherheitsgefühl. Wie ein Fenster hängt sie an der Wand. Ausblick in eine erhabene Zeit. Versprechen auf eine heroische Zukunft.
    Er schaut die Flagge an und findet ein Stückchen von seiner verlorenen Ehre wieder.
    Ein Stahlhelm im Miniformat als Aschenbecher. Eine Handgranate in Originalgröße als Feuerzeug. Ein Lampenschirm „von damals, als die wirklich guten noch aus Judenhaut gemacht wurden“. Sein Lampenschirm ist nicht aus Judenhaut. Leider. Aber an den Messingfüßen vom Ständer waren mal Hakenkreuze. Die hat jemand kurz nach Kriegsende abgekratzt. Vermutlich aus Angst vor den Amis oder den Russen. Man kann die Stellen, wo sie einst prangten, noch gut sehen. Sie sind blank. Leuchtende Schatten des eigentlichen Symbols.
    Wolf fingert eine von den Lord Extra aus seiner Brusttasche. Er pflanzt sie sich ins Gesicht und nimmt die Handgranate. Er wiegt sie zwischen den Fingern. Schön. Kalt. Schwer.
    Sich damit eine extra leichte Filterzigarette anzuzünden, ist nicht ganz so schön wie Handgranaten in Asylantenheime oder Bullenautos zu werfen, denkt Wolf. Aber ein Vorgeschmack. Eine Vorfreude.
    Dann lässt er die Flamme zur Zigarettenspitze flattern.
    „Ich kann ja verstehen, dass du in die Renate verknallt bist.

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