Samstags, wenn Krieg ist
Klospülung wird betätigt.
Wolf erwacht mit verklebten Augen. Er hat einen fauligen Geschmack im Mund. Der treibt ihn aus dem Bett. Er will sich die Zähne putzen.
Er findet seine lila Zahnbürste nicht. Sie hatte schon Borstenausfall. Vielleicht hat sie jemand weggeworfen oder sie ist runtergefallen und liegt jetzt zwischen der dreckigen Wäsche. Da könnte er ja gleich eine Nadel im Heuhaufen suchen.
Es gibt viele Zahnbürsten auf dem Glasregal. Alles nehmen die Typen mit, wenn sie ausziehen. Sogar Sachen, die ihnen nicht gehören. Aber die Zahnbürste lassen sie meistens zurück und dazu eine halb ausgequetschte Tube ohne Schraubverschluss, in der der Inhalt vertrocknet.
Er würde lieber eine tote Katze essen, als sich mit einer dieser Zahnbürsten die Zähne zu putzen. Seine lila Bürste ist jedenfalls weg.
Er drückt sich blaue Paste auf den Zeigefinger und reibt damit sein Zahnfleisch ein. Es schmeckt gut. Früher hat er manchmal eine Tube leergegessen. Die mit Pfefferminz mag er noch heute am liebsten.
Er gurgelt.
Vom Badezimmer aus geht er ins Wohnzimmer. Das nächtliche Chaos. Bierflaschen. Likörflaschen. Drei überquellende Aschenbecher. Eine leere Pralinenschachtel. Weinbrandbohnen.
Die Gläser kleben auf der Plastiktischdecke.
Hier kann er morgens fast immer etwas abstauben. Er hebt eine Schachtel Camel hoch, schüttelt sie. Leer.
Er knüllt sie zusammen, lässt sie fallen.
Da, neben dem Sofa, bei den Schuhen, eine Schachtel Lord. Ihre Marke. Es sind noch drei drin. Er nimmt sie sich.
Lord. Als ob sie nicht wenigstens etwas Anständiges rauchen könnte. Da kann er ja gleich frischen Sauerstoff einatmen. Morgens zum Wachwerden braucht er erst etwas Richtiges.
Die Likörflasche ist noch halb voll. Kirsch. Ekelhaft. Aber er nimmt, was er kriegen kann. Im Steinbruch muss eine Flasche kreisen, und wenn es Kirschlikör ist.
In der Küche poltert Eberhard schon herum. Dann muss es mindestens Mittag sein. Die Kaffeemaschine spuckt und blubbert. Das Geräusch, wenn der Toaster die Weißbrotscheiben hochwirft.
Ob Renate jetzt schon steif ist? Leichenstarre.
Eberhard hat sich im Unterhemd hinter den Tisch auf die Sitzecke geklemmt. Er sitzt immer so, dass es für ihn besonders umständlich wäre, aufzustehen und an den Kühlschrank zu gehen. Alle Typen finden mit erstaunlicher Sicherheit diese Ecke sofort als Stammplatz heraus. Dann lassen sie sich von Wolfs Mutter bedienen, weil es für sie einfacher ist, aufzustehen.
Sie steht im schwarzen Unterrock am Herd und brät Spiegeleier.
Renate liegt nicht tief genug unter der Erde. Ratten könnten sie anknabbern. Schnecken in ihre Nasenlöcher kriechen.
Seit Erhard sich hier eingenistet hat, oder wie der Kerl heißt, gibt es jeden Morgen Eier. Gekocht, gebraten oder roh im Glas mit Weinbrand. Eier geben dem Manne Kraft, sagt ihr Neuer. Eier und Fisch.
Er hat wohl viel Kraft nötig. Morgens Eier und abends Fischkonserven.
Wolf kann den Geruch von altem Öl in aufgehebelten Konservendosen nicht ausstehen. Aber den Abfall bringt er nur unter Protest runter. Seit hier Müll getrennt in zwei Eimern gesammelt wird, wirft Wolf nur zu gern den Plastikmüll in den Bio-Behälter. Draußen auf der Kippe, weiß er, wird sowieso alles zusammengeschüttet. Die ganze Müllsortiererei ist reine Beschäftigungstherapie für Linke und Ökos, damit sie das Gefühl haben, politisch tätig zu sein.
Ich hätte sie auf der Müllhalde verscharren sollen. Nicht im Wald. Menschlicher Abfall. Warum komme ich erst jetzt darauf? Da wird täglich mehr angeschüttet. In ein, zwei Wochen liegt sie schon metertief im Kompost. Da findet sie keiner mehr.
Aber wer soll sie schon im Wald finden?
„Morgen.“
„Hm.“
„Kannst du nicht mal richtig Guten Morgen sagen, oder was?“
„Lass ihn!“, fordert Wolfs Mutter und dreht die Spiegeleier um.
In dem Moment packt Eberhard oder Erhard oder Ernst über den Tisch und hat Wolf an der Wäsche.
„Wer hat in mein T-Shirt geschissen? Wer?“
Gisela Kleinhaupt fährt herum.
Wolf hebt beide Hände und hält sie offen hin. Nicht um zu zeigen, dass er unschuldig ist, nur als Beweis, dass er diesen Eberhard nicht anfasst.
„Mama, der soll mich loslassen.“
„Lass ihn los. Bitte.“
Jetzt sieht Wolf seiner Mutter ins verheulte Gesicht. Sie hat ein blaues Auge.
„Ach“, sagt Wolf scheinbar resignativ, „ist es mal wieder soweit?“
Mit einem Schlag befreit Wolf sich und springt hoch.
„Nicht!“, fleht die Mutter, doch
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