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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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Aber willst du sie wirklich mit in den Steinbruch nehmen?“, fragt Siggi unvermittelt.
    Ihre Blicke treffen sich. Wolf hat Angst, dass Siggi ihm nicht glaubt.
    „Klar. Warum nicht?“
    Siggi zuckt zunächst mit den Schultern, als wisse er nichts darauf zu sagen. Dann spricht er mit schnellen, abgehackten Bewegungen. Als müsse er die Worte seinem Körper entreißen, um sie dann ungeschützt auf den Teppichboden zu werfen. Wie herrenlose Flummibälle hopsen seine Aussagen dort auf und ab.
    „Ich würde der lieber nicht zu viel erzählen. Die ist anders als wir. Die versteht das nicht.“
    Wolf guckt ungläubig. Siggi nickt und fährt fort:: „Ja. Glotz nicht so. Die findet die Musik geil und vielleicht noch ein paar Typen von uns. Aber die ganze Politik ist ihr eigentlich egal.“
    „Sie hat mit uns Führers Geburtstag gefeiert!“, verteidigt Wolf Renate.
    Siggi grinst. „Die geht auf jede Geburtstagsfete. Hier ist nicht viel los. Da darf man nicht wählerisch sein. Ich meine, wenn wir richtige Aktionen machen wollen, sollten wir einfach vorsichtiger sein.“
    „Du traust deiner eigenen Schwester nicht?“
    Darauf sagt Siggi lieber nichts. Einfache Antworten gibt es nicht immer. Wolf packt Siggi am Ärmel und wiederholt die Frage. Sie klingt drohend. Wie eine böse Vorahnung, so als hätte der Verrat schon stattgefunden.
    „Das sage ich dir, Siggi, die ist genauso stinkig auf die Drecksasylanten wie wir.“
    Wolf richtet dabei den Zeigefinger wie den Lauf einer Waffe auf Siggi. Jedes Wort ein Schuss.
    Bevor sich Wolfs Wut gegen ihn richtet, platzt Siggi damit raus: „Und was hat sie dann auf einer Itakerfete zu suchen?“

19
    Siggi liebt diesen Steinbruch. „Die roten Felsen haben etwas“, sagt er. Was, weiß er nicht. Es ist kein Gedanke, mehr ein Gefühl. Klarheit. Kraft. Zusammenhalt. Geschichte.
    Strafgefangene arbeiten in Filmen oft im Steinbruch. Kettensträflinge. Wenn er die Augen schließt, kann er das Hämmern hören und das Klirren ihrer Ketten. Schweißnasse Männer mit der Kraft ihrer Muskeln gegen den Berg. Primitives Werkzeug. Klare Spielregeln.
    Er öffnet die Augen wieder. Er weiß nicht, ob er hier Wärter sein möchte oder Sträfling. Beides hat etwas für sich.
    Sie sind zu sechst. Der harte Kern. Die Ichtenhagener Ultras. Wolf Kleinhaupt. Siggi Schmidtmüller. Peter Lentz. Dieter Koslowski. Max Fischer, der gerne Adolf genannt werden würde, was aber keiner tut, trotz seiner paar Barthaare unter der Nase. Und Jürgen Brück.
    Wolf erklärt den Zünder. Er sieht aus wie ein Spielzeug. Ein bisschen lächerlich, wie ein Atomkraftwerk aus Legosteinen oder eine Mittelstreckenrakete aus Edel-Marzipan. Aber Wolf behauptet: “Das Ding funktioniert.“
    Es ist ein billiger Spielzeugwecker mit Micky-Maus-Ohren. Ohne Deckglas. Ein Kinderzimmerrequisit.
    Als führender Skinhead in Ichtenhagen sollte man keinen Micky-Maus-Wecker auf dem Nachttisch stehen haben. Aber man kann damit Bomben basteln.
    „Uhrenvergleich“, sagt Wolf und alle strecken ihre Arme aus. Die Armbanduhren nebeneinander. Eine Swatch. Eine Taucheruhr aus Hongkong. Eine Tropy von Tschibo. Eine Meisteranker von Quelle. Eine Morijoka. Eine Anker.
    „Es ist jetzt genau fünfzehn Uhr dreißig.“
    „Nein. Bei mir ist es fünfzehn Uhr vierunddreißig.“
    „Bei mir dreiunddreißig.“
    „Bei mir auch.“
    „Ich hab erst halb.“
    Wolf stöhnt gequält auf. Er bemüht sich um einen schneidigen Ton. Den Jungens fehlt halt die vormilitärische Ausbildung.
    „Ihr sollt eure Uhren auf eine Zeit einstellen! Ist doch völlig egal, wie spät es wirklich ist.“
    „Egal? Ja, aber …“
    „Keine Diskussionen. Wir sind hier nicht im Bundestag!“
    Das zieht. Kernige Sprache lieben die Jungens.
    „Worauf sollen wir die Uhren denn jetzt stellen?“
    Wolf dreht die Augen zum Himmel.
    Siggi antwortet für Wolf. Siggi, die rechte und die linke Hand des Söldners. Sein erster General.
    „Mann, äi! Habt ihr keine Ohren im Kopf? Wenn Wolf sagt, es ist fünfzehn Uhr dreißig, dann ist es fünfzehn Uhr dreißig. Nicht dreiunddreißig oder fünfunddreißig. Ist das klar?“
    Ein maulendes Ja erschallt, während Siggis laute Sätze im Steinbruch widerhallen. Das reicht ihm nicht. Dies ist ja schließlich kein Kindergeburtstag, sondern die Vorbereitung einer präzise geplanten militärischen Aktion.
    „Wie bitte? Ich versteh nicht!“
    Wolf nickt. So gefällt Siggi ihm. Ein junger Held.
    Sie brüllen: „Jawohl!“
    Auf der anderen Seite vom

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