Samstags, wenn Krieg ist
da hat Wolf schon die Faust geballt.
Der Tisch wird zur Seite gerückt. Wolf verfolgt Eberhard um den Tisch. Eine Käsescheibe, in Plastik eingeschweißt, segelt zu Boden.
„Tu das nie wieder!“, brüllt Wolf. „Hast du gehört? Ich prügle dir das Gehirn aus deinem dämlichen Schädel!“
Eberhard hat schon ein Messer in der Hand. Es wirkt lächerlich. Es ist vorne abgerundet. Nur zum Butterbrot schmieren gut, aber Gisela Kleinhaupt kreischt: „Bring ihn nicht um!“
Es ist nicht ganz klar, wer wen nicht umbringen soll.
Wolf versucht, einen rechten Haken zu landen, aber Eberhard ist reaktionsschneller als er aussieht. Wolf hat beide Fäuste oben. Links decken, rechts schlagen.
Es ist nur ein Schaukampf. Niemand hat wirklich vor, den anderen zu verletzen. Wolf will den Typen einschüchtern. Er soll abhauen. Mehr nicht.
„Glaubst du, du bist der erste, der sie verkloppt hat?“, brüllt Wolf. Speichel sprüht aus seinem Mund wie giftiger Regen. „Sie gerät immer an so Schweinehunde. Keine Ahnung, wie sie das macht. Hau ab, Mensch! Der Nächste wartet schon. Wenn es irgendwo in dieser Stadt einen Lumpen gibt, der nichts weiter sucht als einen warmen Platz zum Scheißen und einen offenen Kühlschrank, dann wird er bald hier einziehen …“
Die Worte treiben Wolf Tränen in die Augen. Er hasst es, all dies zu sagen. Es tut so weh. Ihm und ihr. Aber es ist die Wahrheit. Sie hält es nicht aus ohne Mann. Nicht eine Woche.
Durch den Tränenschleier sieht Wolf die Hand nicht kommen. Als die erste Ohrfeige ihn trifft, steht er starr. Steckt noch zwei ein. Dann tritt er Eberhard zwischen die Beine.
Eberhard sackt zusammen, den Mund zu einem stummen Aufschrei geöffnet. Er fällt auf die Knie.
Schade, dass ich meine Doc Martins nicht anhabe, denkt Wolf. Hoffentlich habe ich mir den Zeh nicht gebrochen.
Vielleicht ist Renate doch nicht tot. Vielleicht war sie ohnmächtig und ist längst wach geworden und nach Hause gegangen. So etwas soll es geben. Manchmal sind Leute scheintot. Es soll in London oder Chicago neulich ein Sarg bei einer Beerdigung von einem Bergmann runtergefallen sein. Der Sarg zerbrach und die Leiche stand auf. Der Mann war nur scheintot. Den hätten sie lebendig begraben, wenn nicht zufällig … Wer weiß , wie viele unter der Erde liegen und sich noch Stunden nach der Beerdigung im Holzsarg die Nägel wund kratzen, bis die Luft knapp wird …
Gut, dass ich Renate nicht so tief verscharrt habe.
„Was hast du mit ihm gemacht?“, schreit Frau Kleinhaupt und kniet sich vor Eberhard auf den Boden. Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände und küsst es ab. Dabei stammelt sie: „Oh Gott, oh Gott. Was hat er gemacht? Er hat es nicht so gemeint.“
Eberhard schubst die Frau weg. Sie fällt auf den Hintern. Der Unterrock rutscht ihr bis zum Bauchnabel hoch. Sie krabbelt rückwärts unter den Tisch. Es kommt Wolf vor, als zöge sich eine Schildkröte in ihren Panzer zurück.
„Entschuldige dich bei ihm, Wolf. Bitte.“
Eberhards Augäpfel sind vorgequollen, als könnten sie jeden Moment herausfallen. Wolf stellt sich vor, wie sie an einigen Äderchen hängen. Sie baumeln vor seiner Brust an pochenden, blutigen Fäden.
Er könnte ihm jetzt mit einem Tritt das Nasenbein brechen. Wolf. Der Söldner. Der Streetfighter. Der Beschützer seiner Mutter. Der Retter Doitschlands.
Sie sieht, was er vorhat.
„Nein“, fleht sie, „nicht!“
Er winkelt sein Bein an. Eberhard ist vor Schmerzen wehrlos. Er kämpft mit dem Brechreiz.
Das Spiegelei brennt an. Wolfs Mutter rafft sich auf. Sie kommt unterm Tisch hervor und springt zwischen Sohn und Liebhaber.
„Lass ihn, Wolf, bitte. Geh jetzt lieber. Ich bring das hier in Ordnung. Er wird dich nicht anzeigen und nicht rauswerfen. Bestimmt. Ich sorge dafür. Aber geh jetzt.“
„Rauswerfen? Der mich?“ Wolfs Stimme überschlägt sich. „Wer zahlt denn hier die Miete? Du oder er?“
Hinter ihrem Rücken übergibt sich Eberhard auf den Küchenboden.
Sie drückt ihren warmen Körper gegen Wolf und schiebt ihn aus der Küche.
„Warum lässt du dich von jedem Arsch verprügeln?“, heult Wolf. „Warum? Ich halte das nicht aus. Es ist immer das Gleiche.“
„Er hat mich nicht geschlagen. Ich bin hingefallen. Ich hatte zu viel getrunken.“
Wolf winkt ab.
„Jaja.“ Das kennt er. „Gib mir fünf Minuten Mama. Lass mich mit ihm nur kurz alleine. Ich hau ihn windelweich und schmeiß ihn raus.“
Sie schüttelt den Kopf. Nein. Das will sie nicht.
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