Samstags, wenn Krieg ist
Schnecke an seiner Wange hinunterrollt. Er schämt sich deswegen.
Männer weinen nicht. Männer sterben lieber.
Max und Peter trinken jetzt Grappa aus der Flasche.
„Nicht mal ‘n richtigen klaren Schnaps können die Itaker machen“, hustet Max. „Keine Kultur. Im Krieg kannten die auch nur den Rückwärtsgang.“
Peter wendet sich mit der Flasche wedelnd an Herrn Oliverio. „Wegen euch feigen Arschkriechern haben wir den Afrikafeldzug verloren. Ihr habt Rommel verraten.“
Mit einem Blick schickt Wolf Peter weg.
Dieser Mann hier gehört ihm.
Der Hammer ist jetzt unterm Bauchnabel angekommen. Peter nimmt noch einen Schluck aus der Flasche, dann wirft er sie gegen die Wand.
Max öffnet eine Literflasche russischen Wodka. Er hält sie Peter hin. „Probier mal.“
Peter schluckt.
Dieter ist jetzt in der Küche und demoliert die Öfen.
„Sag: Ich bin ein dummes, italienisches Arschloch!“
Er tut es sofort, laut, ohne nachzudenken und ohne Reue. Aber er ahnt schon, es wird ihm nichts nutzen.
„Lauter!“
Er brüllt den Satz.
Der Hammer pendelt von seinem Körper weg und saust dann zurück. Der stechende Schmerz im Knie lässt Herrn Oliverio für einen Moment ohnmächtig werden.
Als er wach wird, liegt er mit dem Gesicht zur Wand. Sie toben jetzt alle in der Küche herum. Bewerfen sich mit Gemüse, kalter Bolognesesoße und Essensresten. Die Tiefkühltruhen werden ausgeleert.
Jürgen hebt wieder eine Lage Teller hoch und wirft sie dann gegen die Wand.
Max baggert sich Tiramisu mit bloßen Händen in den Mund und schmiert den Rest an die Tapete.
„Bist du bescheuert? Iss das bloß nicht! Da sind Salmonellen drin. Die rühren das mit Hühnerscheiße an. Ja! Stand in der Zeitung. Die Itaker kochen viel mit Hühnerscheiße.“
Herr Oliverio schleppt sich zu den Toiletten. Er könnte jetzt auch auf die Straße fliehen, aber etwas – eine unbestimmte Angst – hält ihn ab.
Als sei alles einfach noch nicht zu Ende, als müsse er abwarten, bis es wirklich vorbei ist. Er fühlt sich, als dürfe er die Ereignisse nicht beschleunigen.
Es gilt nur abzuwarten und zu überleben.
Er schließt sich auf der Damentoilette ein. Er möchte sich auf die Kloschüssel setzen, um dort auszuharren, aber er rutscht ab. Jetzt klemmt er zwischen Schüssel und Wand fest. Er hat nicht mehr die Kraft, seine Lage zu verbessern. Er heult hemmungslos, die Stirn auf den Klodeckel gestützt.
In der Küche tobt keiner so wild wie Peter. Er hat sich die Vermummung längst vom Kopf gerissen. Er schlägt auf die umgestürzten Kühltruhen ein und zertrampelt den Inhalt.
Siggi schaut Peter erstaunt zu. Wessen Schwester haben die Schweine eigentlich umgebracht, denkt Siggi.
Wolfs Wut kann er verstehen, der hatte immerhin etwas mit Renate. Sie war seine Freundin. Aber was ist mit Peter?
Dieter will wenigstens die tiefgefrorenen Steaks mitnehmen, aber Wolf ist dagegen.
„Lass ihn doch“, sagt Max. „Ob wir es kaputthauen oder mitgehen lassen. Wo ist der Unterschied?“
„Ja, äi! Wenigstens noch ein paar Flaschen und Zigaretten.“
„Der hat sogar kubanische Zigarren, die Sau!“, schimpft Jürgen und steckt sich welche ein. Eine schiebt er sich hinters Ohr, eine zwischen die Lippen. Er will sie gerade anzünden, als Polizeisirenen ertönen.
„Geordneter Rückzug!“, kommandiert Wolf.
Sofort rennen die Ultras los, wie sie es von Wolf gelernt haben. Jeder nimmt einen anderen Fluchtweg. Nach links. Nach rechts. Durch die Hinterhöfe. Über die Dächer. Und Max sogar in die Kanalisation. In die Stadt unter der Stadt wird ihm niemand folgen. Da ist er sicher. Als Ratte unter Ratten.
Nur Peter läuft nicht weg. Er zerschlägt schon Zerschlagenes. Immer wieder lässt er seinen Baseballschläger zwischen die Scherben krachen, als gäbe es zu zerdeppertem Porzellan eine Steigerung.
Er ist klatschnassgeschwitzt, aber er kann nicht aufhören. Es ist ein Rausch. Er prügelt weiter, bis er nicht mehr kann.
Als die Polizeibeamten mit gezückten Waffen in die Pizzeria stürmen, treffen sie drinnen einen betrunkenen Hünen, der seinen zersplitterten Baseballschläger wie ein schlafendes Baby im Arm wiegt. Mit wirrem, fast sehnsüchtigem Blick scheint er die Beamten zu erwarten.
Er wird hochgerissen und, mit gespreizten Beinen, Gesicht zur Wand, nach Waffen durchsucht.
„Nun nehmt mich doch endlich fest“, jammert er. „Na los. Macht Schluss.“
34
Vera ist schon beim „Tatort“ eingeschlafen. Hans guckt jetzt den
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