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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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stellte.
    Inzwischen glaubt er manchmal, in ganz schwarzen Momenten, dass er das Unglück anzieht. Bestimmt wird er auch nicht übernommen werden. Er weiß es schon. Er gibt sich Mühe. Er versteht wirklich etwas von Autos. Das sind für ihn nicht einfach bunte Blechkisten, die fahren. Nicht nur Maschinen. Er hört einen Motor und kennt seine Schwächen und Probleme. Das ist für ihn, wie wenn er eine neue Platte abspielt. Er hört auch dann genau jedes einzelne Instrument heraus. Weiß die Qualitäten des Bassisten zu schätzen und freut sich über den Einsatz des Saxophons. Solche Musik mag er. Klar. Wenn nur ein Lärmbrei entsteht, findet er das eigentlich grässlich. Aber auf Skinmusik steht er trotzdem. Sie macht so schön aggressiv. Das bringt Power.
    Er sagt den anderen Auszubildenden, wo es langgeht. Nicht schriftlich. Nicht in der Berufsschule. Aber sobald es um Motoren geht, dann hört sich sogar der Meister an, was Peter denkt, obwohl der ein Sozischwein ist und eigentlich ins KZ gehört.
    „Peter“, sagt der manchmal, „du bist mein bester Mann.“
    Trotzdem weiß Peter, sie werden ihn nach der Prüfung nicht übernehmen. Entweder, weil er in der Prüfung plötzlich nichts mehr weiß, alles vergeigt und durchfällt, oder weil sie lieber den Ali nehmen, denn dann sieht der Betrieb so schön ausländerfreundlich aus, und außerdem kommen, wenn man einen türkischen Gesellen hat, seine Landsleute mit ihren Autos. Erstens, weil der ihre Sprache spricht und zweitens, weil das Dreckspack sowieso zusammenhält.
    Vera Bilewski sitzt auf der Tischkante und beobachtet den brütenden Peter. Kramer steht an der Kaffeemaschine. Er kann mit dem Ding nicht umgehen.
    Kramer ist sauer. Er hasst schweigende Verdächtige. Sie rauben ihm die Zeit. Die Lebensenergie. Erst eine Stunde am Tag, dann fünf Stunden in der Woche. Am Ende seines Lebens sind es Monate, vielleicht Jahre, die ihm fehlen.
    Was ihn so fertigmacht, ist das Gefühl, in der Hand des anderen zu sein. Er ist zwar der Kommissar, der andere der Verdächtige, aber trotzdem stimmt die Sache irgendwie nicht. Er sagt zwar: „Ich kann dich hier so lange festhalten, wie ich will“, doch erstens ist das eine Lüge und zweitens hält der andere ihn ja auch fest.
    Wenn der Typ endlich sagt: „Okay, ich gestehe“, oder wenigstens: „Ja, ich will aussagen“, dann ist die quälende Warterei vorbei. Dann erst. Aber der andere bestimmt den Zeitpunkt, und das macht Kramer zu schaffen. Es beschert ihm Unfreiheit. Um aus diesem Gefängnis herauszukommen, muss Kramer sein Gegenüber zum Sprechen bringen.
    Seine Wutausbrüche sind echt. Er hält sich für einen Verhörspezialisten. Er glaubt, einer von den ganz Harten zu sein. Einer, der am Ende alle Ganoven zu Singvögeln macht. Die Tatsache, dass es fast immer Vera ist, bei der die Leute auspacken, ändert nichts an seiner Einschätzung von sich selbst.
    Beim letzten Mal hat sie nach vier Stunden übernommen. Er hatte bis dahin nicht einmal den Namen aus dem Typen herausgequetscht. Zehn Minuten später legte genau dieser große Schweiger bei Vera ein komplettes Geständnis ab. Geradezu operettenhaft geschwätzig wurde der.
    Als Vera mit den unterschriebenen Papieren zu ihm kam, entlockte sie ihm keine Geste der Anerkennung.
    „Kein Wunder“, sagte er, „schließlich habe ich den Jungen vorher vier Stunden lang gargekocht.“
    Vera übersieht solch kleine Probleme zwischen sich und ihrem Kollegen gern. Sie weiß, was sie kann und braucht deshalb wenig Bestätigung von außen, redet sie sich ein. In Wirklichkeit ist sie abhängig vom Erfolg, wie der Junkie von der Spritze. Unerledigte, oder schlimmer, ungelöste Fälle machen sie verrückt.
    Um Peters Kopf kreisen drei Fliegen. Eine läuft über sein Gesicht. Eine krabbelt über seine Haare. Die andere lässt sich auf seiner Stirn nieder.
    Peter zittert jetzt nicht mehr. Er sitzt völlig ruhig. Ganz auf die Fliegen konzentriert. Er wirkt jetzt auf Vera wie ein buddhistischer Mönch.
    Dann schlägt Peter ansatzlos zu. Er zerquetscht die Fliege auf seiner Stirn und schnippt sie dann auf den Schreibtisch zwischen die Akten.
    „Ich bin doch kein Misthaufen!“, brüllt er die tote Fliege an. Er schlägt nach den anderen. „Verschwindet!“
    Kramer sieht die tote Fliege auf dem Schreibtisch. Ihm reicht es jetzt endgültig. Er baut sich bedrohlich vor Peter auf.
    „Wenn du glaubst, Bürschchen, dass wir hier in Ichtenhagen eine Neonazibande zulassen, die Schutzgelder

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