Samstags, wenn Krieg ist
erpresst, dann hast du dich geschnitten!“
Peter guckt auf seine Schuhspitzen. Er erhofft sich davon ein bisschen Mut. Peter schweigt lieber wieder. Er kaut auf der Unterlippe herum.
Vera legt die eine Hand auf Kramers Schulter.
„Lass mich mit dem Jungen doch mal alleine. Mach mal eine Pause.“
Da muss sie Kramer nicht zweimal bitten.
„Ich hab sowieso die Schnauze voll!“, schimpft er.
Schon knallt die Tür hinter ihm zu. Die Glasscheibe in der Tür vibriert nach. Eines Tages wird sie herausfallen, weil Kramer die Tür so oft zudonnert. Der Kitt ist schon bröckelig geworden.
Vera stellt die Kaffeemaschine richtig ein, wirft einen Chip ein und drückt den Knopf.
„Auch eine Tasse?“, fragt sie.
Er antwortet nicht. Sie tut, als sei das ein Ja gewesen und fährt unbeirrt fort: „Mit Milch und Zucker?“
Wieder keine Reaktion.
„Also ohne.“
Sie reckt sich wie eine Katze, während die Maschine Kaffee in den Plastikbecher spuckt.
„Ich brauch jetzt erst eine zum Wachwerden. Du hast mich nämlich aus dem Bett geholt.“
Sie reicht ihm den vollen Becher. Er nimmt ihn, jetzt weniger ungestüm.
Vera stellt einen Becher für sich in die dafür vorgesehene Vertiefung. Hinter ihr pustet Peter und schlürft dann.
Vera spricht, wie zu sich selbst: „Der jüdische Friedhof. Die Pizzeria. Ich frage mich, woher kommt der Hass? Woher?“
Es platzt aus Peter heraus: „Hass ist Ehrlichkeit.“
Sie schaut ihn groß an. Das hat sie noch nie gehört. Ihr Blick bringt ihn dazu, seine These mit kurzen, atemlos gesprochenen Sätzen zu erklären.
Er presst die Worte aus sich heraus. Sie kommen von irgendwo ganz tief in ihm drinnen, wo es dunkel ist und kalt.
„Hass hilft, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Zwischen Freund und Feind. Hass bringt Wahrheit.“
Sie beugt sich vor, guckt ihn ganz konzentriert an, sucht Blickkontakt. Für den Bruchteil einer Sekunde, für einen Wimpernschlag, gelingt es ihr. Es kommt ihr vor, als könnte seine Haut jeden Moment zerreißen, so sehr steht er unter Spannung.
Er kotzt die Worte aus: „Hass zerstört eure Lügen. Eure Harmoniediktatur. Hass bringt die Wahrheit ans Licht. Hass ist geil.“
„Warum bist du nicht abgehauen, wie die anderen?“
Er wendet sich ab, starrt zur Decke. Sie versucht es weiter.
„War es Hass? Hat dein Hass dich festgehalten?“
Jetzt funkeln seine Augen sie an. Zum ersten Mal hat sie Schwierigkeiten damit, seinem Blick standzuhalten. Aus seinen Augen springt sie die nackte Emotion an.
„Ja!“, brüllt er. „Hass! Ihr seid zu früh gekommen!“
Vera hält nicht viel von Zahlen, Laboruntersuchungen, Indizien, Alibis und Zeugenaussagen. Sie lässt sich am liebsten von ihrem Instinkt leiten. Ja, sie hat so etwas. Jagdinstinkt.
Sie bekommt Kontakt zu der vibrierenden Kraft in Peter. Es ist eine zerstörerische Energie. Doch ihre Quelle ist eine Sehnsucht. Eine unerfüllte Liebe.
Sie spürt, dass sie damit hundertprozentig richtig liegt, aber sie weiß, das darf sie niemandem sagen. Kramer schon gar nicht. Es kann in keinem Protokoll auftauchen, und doch kennt sie jetzt genau die Richtung, in der sie suchen muss.
Peter atmet schwer. Den Kaffee lässt er in der Faust kalt werden.
„Du kanntest Renate Schmidtmüller doch auch. Siggis Schwester. Wie war sie denn so? Kannst du mir etwas über sie erzählen?“
Peter zieht an seiner Zigarette und staunt.
Leise fährt Vera fort: „Ich bin von der Mordkommission. Diese Geschichte mit der Pizzeria interessiert mich eigentlich nicht. Ich will etwas über Renate herausfinden. Gehörte sie mit zu eurer … Gruppe?“
Er schüttelt den Kopf. Seine Augen füllen sich mit Wasser, als er spricht. Seine Stimme klingt belegt. „Nein. Renate war anders. Irgendwie leichtfüßiger. Unschuldiger. Für Politik hat sie sich gar nicht interessiert. Auch nicht für Fußball. Nur für Musik. Tanzen. Kleider.“ Eine Träne löst sich aus dem überschwemmten linken Auge. „Nicht einmal für Doitschland schlug ihr Herz.“
Er saugt süchtig den Qualm ein.
„Du hast Renate Schmidtmüller geliebt, stimmt’s?“, hört Vera Bilewski sich sagen.
Sein Erschrecken zeigt ihr, dass sie Recht hat.
„Na und? Ist das verboten?“
Vera schüttelt den Kopf. „Nein, aber du verhältst dich so, als wäre es ein Verbrechen.“
„Renate war Wolfs Mädchen.“
Vera nickt. Sie lässt den Namen langsam auf der Zunge zergehen. Dadurch spricht sie ihn respektvoller aus, als sie eigentlich will, so als sei er
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