Samtheiß
Partykeller fielen hier und da schon knielange Hemden ins Auge, die über tief ausgeschnittenen engen Bodies getragen wurden, außerdem hautenge Kleider und hochhackige glänzende Pumps neben Wildleder- und Turnschuhen und Slippern.
Femmes trugen die Haare in glattgezogenen Innenrollen oder hochtoupiert zu modellierten Lockentürmen oder im Fransenschnitt, der die Gesichter umrahmte. Der süßlich-saubere Duft von Kosmetiksalons, der in den 50er Jahren über allen Gruppen von schwarzen Frauen hing, war auch hier gegenwärtig, der eindeutige Geruch nach Lockeneisen und Haarpomade mischte sich mit den anderen Gerüchen des Raumes.
Die Butches trugen die Haare kürzer, als Entenschwanzfrisur hinten zu einer Spitze geformt oder einen kurzen Pagenkopf, einen Pudelschnitt, den Vorgänger des Afrolook. Aber das war eher eine Seltenheit, und ich kann mich nur an eine Frau auf dieser Party erinnern, deren Krause nicht geglättet war, und sie war eine Bekannte von der Lower East Side mit Namen Ida.
Auf einem Tisch hinter der eingebauten Bar standen geöffnete Flaschen Gin, Bourbon, Scotch, Soda und mehrere Mixbecher. Die Bar war gedeckt mit kleinen Köstlichkeiten aller Art: Kartoffelchips und Dips und kleine Crackers und Schnittchen, die mit dem üblichen Tupfer Eiersalat und Sardinenpaste verziert waren. Auch ein Tablett voller lecker gebratener Hähnchenflügel stand da und eine Schüssel mit Kartoffel-Eier-Salat in Vinaigrette. Kleine Teller mit Oliven, Mixed-Pickles, Cocktailäpfelchen und Perlzwiebeln auf Zahnstochern umrahmten die Hauptgerichte.
Aber das Glanzstück des Tisches war eine riesige Platte mit saftigem und hauchdünn geschnittenem Roastbeef, das auf zerstoßenem Eis kühl gehalten wurde. Auf der beigefarbenem Unterlage war jede Scheibe des rohen Fleisches liebevoll und individuell zu einer kleinen Möse gefaltet, gekrönt von einem Tupfer Mayonnaise auf dem richtigen Fleck. Das rosa-braune, gefaltete Fleisch um den blassen, cremig-gelben Tupfer bildete einladende Skulpturen, die alle begeisterte, und Pet, in deren Haus die Party stattfand und deren Idee diese Fleischkunstwerke gewesen waren, nahm lächelnd und mit anmutigem Neigen ihres eleganten Tänzerhauptes die vielen Komplimente entgegen.
Die besondere Mischung aus heißen Körpern und guter Musik, die über dem Raum hing, ließ mich an die junge schwarze Frau mit den hohen Wangenknochen, der seidigen Stimme und dem aufmerksam taxierenden Blick denken. (Ihr Mund erinnerte mich irgendwie an Ann, die Krankenschwester, mit der ich zusammengearbeitet hatte, kurz nachdem ich von zu Hause ausgezogen war.)
Kitty saß auf der Kante der niedrigen Bank neben mir und wischte sich geistesabwesend mit einer flinken Abwärtsbewegung ihrer zarten Zeigefinger den zerlaufenden Lippenstift aus den Mundwinkeln.
»Audre... das ist ein schöner Name. Wovon ist das denn die Abkürzung?«
Die feuchten Haare auf meinem Arm sträubten sich zur Ruth-Brown-Musik und der Hitze. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn jemand irgendwas über meinen Namen sagte, nicht einmal so harmlos.
»Von gar nichts. Bloß Audre. Wovon ist Kitty denn die Abkürzung?«
»Afrekete«, sagte sie, schnippte mit den Fingern im Rhythmus der Musik und lachte auf. »Das bin ich. Das schwarze Miezekätzchen.« Sie lachte wieder. »Ich mag deine Frisur. Bist du Sängerin?«
»Nein.« Sie blickte mich immer noch mit großen Augen an.
Ich war plötzlich ziemlich verlegen, weil ich ihrem ruhigen erotischen Blick nichts entgegenzusetzen hatte, also stand ich abrupt auf und sagte in bestem Stan-Laurel-Tonfall: »Komm tanzen.«
Ihr Gesicht war breit und sanft unter dem zu hellen Make-up, aber während wir Foxtrott tanzten, fing sie an zu schwitzen, und ihre Haut wurde dunkel und schimmerte satt. Kitty schloß beim Tanzen die Augen, ihr goldgefaßter Frontzahn blitzte auf, wenn sie lächelte, und manchmal biß sie sich im Rhythmus auf die Unterlippe.
Ihr gelbes Popelinehemd, geschnitten wie eine Uniformjacke, hatte einen Reißverschluß, der in der sommerlichen Hitze halb offen stand und zwei Schlüsselbeine sehen ließ, die wie braune Flügel von ihrem langen Hals wegführten.
Klamotten mit Reißverschlüssen waren unter den liberalen Lesben hoch angesehen, weil sie zu bestimmten Anlässen sowohl von Butches als auch von Femmes getragen werden konnten, ohne feindselige oder lästige Kommentare auszulösen. Kittys enger, gut gebügelter Khakirock wurde von einem schwarzen Gürtel zusammengehalten, der
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