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Samtheiß

Samtheiß

Titel: Samtheiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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meinem ähnlich, aber sehr neu war, und neben ihrer gepflegten Aufmachung kam ich mir in meinen abgetragenen Reiterhosen ziemlich schäbig vor.
    Ich fand sie sehr hübsch und hätte gern so elegant und vor allem so mühelos getanzt wie sie. Ihr Haar war geglättet zu kurzen fransigen Wellen, und in diesem Raum voll aufgedonnerter Wasserwellen und Entenschwänzen und Innenrollen war dieser Schnitt meinem am ähnlichsten.
    Kitty duftete nach Seife und Jean Naté, und ich dachte immer wieder, daß sie größer wirkte, als sie eigentlich war, denn sie hatte so einen Duft an sich, den ich immer mit großen Frauen assoziierte. Noch ein anderer, würziger Geruch fiel mir auf, den ich später als eine Mischung aus Kokosnußöl und Yardleys Lavendel-Haarpomade erkannte. Ihre Lippen waren voll und der Lippenstift dunkel und glänzend, die neue Max-Factor-Farbe >Warpaint<.
    Der nächste Tanz war ein langsamer >Fish< und kam mir sehr entgegen. Bei den meisten anderen Tänzen wußte ich nie, ob ich führen oder mich führen lassen sollte, und das zu entscheiden war für mich mindestens so schwierig wie die Unterscheidung zwischen links und rechts.
    Irgendwie ist mir diese einfache Sache nie in Fleisch und Blut übergegangen, und dieses ewige Überlegenmüssen kostete mich meist zu viel Energie, um die Bewegungen und die Musik genießen zu können.
    Aber >Fish< war anders, eigentlich ein Vorläufer des späteren Onestep und im Grunde ein langsames, hüftschwingendes Schieben. Die tiefhängende rote Lampe und die überfüllte Tanzfläche ließen uns gerade genug Platz, einander Arme um Nacken und
    Taille zu legen, und die langsame, intime Musik bewegte unsere Körper mehr als unsere Beine.
    Es war in St. Alban, Queens, vor fast zwei Jahren gewesen, als Muriel ihren sicheren Platz in meinem Leben zu haben schien. Jetzt, im Frühling dieses neuen Jahres, hatte ich meine Wohnung wieder für mich allein, aber ich trauerte. Ich vermied es, befreundete Pärchen zu besuchen oder eine gerade Anzahl von Gästen zu mir einzuladen, weil deren Glück, einfach ihr Zusammensein, mich so sehr verletzten, denn so etwas gab es in meinem Leben, in das Muriel ein großes Loch gerissen hatte, nicht mehr. Seit wir uns getrennt hatten, war ich weder in Queens noch auf einer Party gewesen, und die einzigen Leute, die ich außerhalb von Job und Schule sah, waren die Freunde, die im Village lebten und den Weg zu mir fanden oder die ich zufällig in einer Bar traf. Die meisten von ihnen waren Weiße.
    »Hey, lange nicht gesehen.« Kitty erspähte mich zuerst. Wir gaben uns die Hand. In der Bar war wenig los, also war es vermutlich das Page Three, das sich erst nach Mitternacht zu füllen pflegte. »Wo ist deine Freundin?«
    Ich erzählte ihr, daß Muriel und ich nicht mehr zusammen waren. »Echt? Das ist aber schade. Ihr habt so gut zueinander gepaßt. Aber so ist das Leben. Wie lange führst du schon >unser Leben    Ich starrte Kitty an, ohne zu antworten, und überlegte, wie ich ihr erklären könnte, daß es für mich nur ein Leben gab, und zwar mein eigenes, wie immer ich es auch leben mochte. Aber sie schien meine Gedanken lesen zu können.
    »Ist nicht so wichtig«, sagte sie vage und trank ihr Bier aus, das sie mitgenommen hatte zu meinem
    Platz an der Bar. »Wir haben sowieso nur ein Leben. Zumindest auf dieser Welt.« Sie nahm meinen Arm. »Komm, wir tanzen.«
    Kitty war immer noch perfekt gekleidet und schlank, aber ihr Lächeln war irgendwie lockerer, und sie trug viel weniger Make-up. Ohne diese Tarnung erinnerten mich ihre schokoladenbraune Haut und der ausdrucksvolle Mund an eine Bronzefigur aus Schwarzafrika. Ihr Haar war immer noch glattgezogen, aber kürzer, und ihre schwarzen Bermudashorts und Kniestrümpfe paßten zu ihren erstaunlich glänzenden schwarzen Slippers. Ein schwarzer Rollkragenpullover vervollständigte ihre perfekte Aufmachung. Dieses Mal wirkten meine Jeans neben ihr irgendwie nicht schäbig, eher wie die Variation eines ähnlichen Outfits. Vielleicht weil unsere Gürtel zueinander paßten, sie waren beide schwarz und hatten eine Messingschnalle.
    Wir gingen in den hinteren Raum und tanzten zu Frankie Lymons >Goody, Goody< und dann zu einem Calypso von Belafonte. Diesmal wußte ich beim Tanzen, wer ich war und wohin mein Körper gehen wollte, und dieses Gefühl war für mich wichtiger, als zu führen oder geführt zu werden.
    Der Raum war sehr warm, obwohl es erst Frühling war, und als das Lied zu Ende war, lächelten

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