Samtpfoten im Schnee
sofort.«
Er begleitete Irene in das Kinderzimmer zurück, wo er Joy fand, deren Gesicht vom Weinen rot und fleckig aussah. Sie begann von neuem zu schluchzen, als ihr Vater sie hochhob und sie an sich drückte.
»Weine nicht, Püppchen«, tröstete er sie. »Wir werden deine Schneeflocke finden, du wirst schon sehen.«
Ihre Schluchzer klangen erbarmungswürdig, und dann versetzte sie seinem Herzen noch einen Stich, als sie weinte:
»Ich hab versucht, brav zu sein, Papa. Ich hab versucht, nicht böse zu sein. Ganz bestimmt, ich hab es versucht.«
»Ist ja gut. Ist ja schon gut.« Er strich ihr über den Rü-
cken und küsste sie auf die Wange. Er schmeckte das Salz ihrer Tränen. »Du darfst nicht mehr weinen, meine Süße.
Wir werden das Kätzchen finden. Ich verspreche es dir.«
Joy holte einige Male tief Luft, und ihre Tränen versiegten.
Sie hatte geweint bis zur Erschöpfung.
»Ich werde sie jetzt nehmen, Sir, wenn Ihr nichts dagegen habt«, bot das Kindermädchen an und streckte die Arme nach der Kleinen aus. »Lasst uns gehen und Euer Gesicht waschen, Miss Joy. Und danach kümmern wir uns um ein Frühstück für Euch.«
»Danke, Cookson«, sagte Justin.
Joy schien teilnahmslos, doch sie folgte dem Kindermädchen bereitwillig, und Justin ging, um den Stand der Suche nach der verschwundenen Katze in Erfahrung zu bringen.
Gegen Mittag war Schneeflöckchen noch immer nicht gefunden worden, und Joy hatte sich einmal mehr hinter eine Mauer des Schweigens zurückgezogen.
Der folgende Morgen konfrontierte Justin mit noch schlimmeren Neuigkeiten.
Joy war verschwunden.
Wieder war es Irene, die ihm die Nachricht brachte. Das Kindermädchen, dessen Aufgabe es war, die Mädchen des Morgens fertig zu machen, hatte die Marquise informiert.
Irene war rasch in ein Morgenkleid geschlüpft und zusammen mit dem Kindermädchen zu Justin gegangen, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen.
»Was meinst du, wohin ist sie gegangen?« Justins Stimme hob sich alarmiert. Er hatte noch im Bett gelegen und war kaum richtig wach gewesen, als die beiden Frauen zu ihm kamen. Jetzt stand er in der Tür, barfuß und mit einem hastig übergeworfenen Morgenmantel bekleidet.
»Sie war nicht in ihrem Bett, als die anderen aufgewacht sind«, berichtete das Mädchen. »Kurz nach Mitternacht ha-be ich noch einmal nach den Kindern gesehen, und Miss Joy hat tief geschlafen. Alle drei haben das. Aber jetzt ist sie verschwunden. Und auch ihre Decke ist fort.«
»Wir dachten, sie wäre vielleicht zu dir gegangen«, sagte Irene.
»Nein, sie ist nicht bei mir.« Sein Verstand quälte ihn mit Bildern von Entführungen und von Kindern, die von wilden Tieren angegriffen wurden, aber er verdrängte diese absur-den Gedanken rasch wieder. »Ich werde mich ankleiden und mich dann der Suche anschließen. Joy kann nicht weit gekommen sein. Und sie ist ein gutes Stück größer als diese verflixte teuflische Katze, also sollte sie auch leichter als diese zu finden sein.«
Eine Stunde später gab es noch immer keine Spur von Joy, und in Justins Innerem begann die Angst zu nagen.
Wann hatte sie das Kinderzimmer verlassen? Draußen war es in den letzten Tagen bitterkalt geworden, und in der vergangenen Nacht hatte zudem leichter Schneefall eingesetzt. Einem kleinen Kind, das nur mit einem Nachthemd bekleidet war, würde es bei diesen Bedingungen mehr als schlecht ergehen. Justin wollte sich all die Möglichkeiten einfach nicht vorstellen.
Meghan war, wie auch die anderen Gästen, am Tag zuvor über die Aufregung informiert worden, die wegen der verschwundenen Katze im Kinderzimmer herrschte. Irene hatte das Ganze vor den übrigen Gästen heruntergespielt, Meghan gegenüber machte sie jedoch keinen Hehl aus ihrer großen Besorgnis.
»Joy ist außer sich - fast schon hysterisch. Ich habe noch nie ein so verzweifeltes Kind gesehen.«
»Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, um zu helfen?«
Meghans Herz flog dem kleinen Mädchen zu, das erst seine Mutter und jetzt das geliebte Tier verloren hatte. Meghan kannte sich aus, was einen schlimmen Verlust anging.
»Sie scheint dich zu mögen«, sagte Irene. »Könntest du vielleicht mit ihr reden? Sie wegen der Katze ein wenig trösten?«
»Ich werde tun, was ich kann.«
Meghan ging ins Spielzimmer, in dem das Verschwinden der Katze eine recht gedrückte Atmosphäre geschaffen hatte.
Joy saß am Fenster, umklammerte ihre Decke und sah einigen der jüngeren Kinder zu, die in ein Mikado-Spiel vertieft
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