Samtpfoten im Schnee
Meghan flehend an und klopfte wieder auf die Bettdecke.
»Also gut. Du darfst ein paar Minuten bleiben«, sagte Meghan langsam und nahm sich vor, das Kind in sein eigenes Bett zurückzutragen, sobald es eingeschlafen war. »Aber ich habe nur dieses eine Buch, du wirst also die alten Grie-chen mit mir aushalten müssen.«
Sie begann laut vorzulesen, und schon bald sah sie, dass der Kleinen die Augen zuzufallen begannen. Sobald Joy fest eingeschlafen war, würde sie sie nach oben ins Kinderzimmer tragen. Bis dahin würde sie noch diesen nächsten Absatz zu Ende lesen.
Es war Morgen, als Meghan im Halbschlaf den lauten Aufruhr auf dem Gang wahrnahm. Kurz darauf klopfte jemand an ihre Tür. Sie fühlte sich irgendwie zerschlagen, als sie endgültig aus ihrem Schlummer erwachte. Dann wurde sie sich plötzlich des kleinen Körpers bewusst, der dicht an sie geschmiegt neben ihr lag.
»Einen Augenblick«, rief sie und griff nach ihrem Morgenmantel. Als sie die Tür öffnete, stand Irene vor ihr, die sehr verstört aussah.
»Joy ist verschwunden«, sagte Irene. »Wir haben schon überall nach ihr gesucht. Hast du eine Idee, wohin sie gegangen sein könnte?«
Meghan trat zur Seite und zeigte auf ihr Bett.
»Oh, dem Himmel sei Dank!«, murmelte Irene, dann trat sie auf den Gang zurück und rief: »Justin! Wir haben sie gefunden. Sie ist hier.«
Sekunden später stürmte Justin Wingate in Meghans Schlafzimmer, scheinbar blind für die Unschicklichkeit, die seine Anwesenheit hier darstellte.
»Was in Gottes Namen tut sie denn hier?«, rief er, wobei sein Zorn unüberhörbar war.
Meghan fühlte, wie sich ihr die Nackenhaare über seinen Ton sträubten. »Sie hat hier geschlafen. Wir beide haben geschlafen.«
Er sprach durch die zusammengebissenen Zähne. »Ich frage Euch noch einmal, Madam, wie ist sie hierher gekommen?«
Meghan sah Irene hilflos an. »Ich - wir - sind eingeschlafen. Sie stand vor meiner Tür... nach Mitternacht war es, glaube ich. Und sie ... sie ist einfach in mein Bett gestiegen.«
»Und Ihr hattet nicht den Verstand, den es erfordert hät-te, sie ins Kinderzimmer zurückzubringen?«, herrschte er Meghan an, ohne den geringsten Versuch zu unternehmen, seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
Ein Geräusch vom Bett erregte ihre Aufmerksamkeit. Joy schaute sie erschreckt an und begann zu schluchzen.
»Oh, jetzt schaut, was Ihr angerichtet habt!« Meghan starrte Justin an, und sie beide gingen, um das Kind zu trösten. Aber es waren Meghans Arme, in denen Joy Zuflucht suchte. »Weine nicht, Liebling. Dein Papa ist nicht böse auf dich. Er ist nur ein Rohling, der Angst bekommen hat, als er dich nicht finden konnte.«
Über ihrer Schulter hörte sie Justin verächtlich schnauben, aber er klopfte Joy sanft den Rücken. »Das ist wahr, Joy, Liebes. Papa hatte nur so große Sorge.«
Joy schniefte und wurde ruhiger. »Komm«, sagte Justin,
»Papa trägt dich jetzt ins Kinderzimmer.«
Meghan küsste die Kleine auf die Wange und sagte freundlich: »Es ist alles in Ordnung. Alles wird gut werden.
Ich werde später kommen und dich besuchen.« Sie legte das Kind in die Arme seines Vaters, der es sofort aus dem Zimmer trug.
Meghan stand da und fühlte sich wie beraubt. Sie sah Irene an, die sie mit einem sehr nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht betrachtete.
»Mach dir nichts daraus«, sagte Irene. »Er wird sich wieder beruhigen. Du hast Recht. Er hatte einfach große Angst um sie.«
7. Kapitel
Am Vormittag suchte Justin Meghan auf, um sich für seinen Zornesausbruch zu entschuldigen. Sie gewann den Eindruck, dass er ein Mann war, der es nicht gewohnt war, eine Entschuldigung auszusprechen.
Meghan nahm sie an und bemühte sich, ihren Unmut darü-
ber zu vergessen, dass er ohne Zögern ihr die Schuld an Joys Verschwinden zugewiesen hatte. Trotzdem herrschte eine gewisse Distanziertheit zwischen ihnen, die Meghan zwar bedauerte, aber dennoch nicht zu überwinden können schien.
Am Nachmittag hatte sie die Chapman-Übersetzung zu Ende gelesen und ging in die Bibliothek, um das Buch zu-rückzustellen. Bei ihrer Suche nach weiterem Lesestoff stieß Meghan auf drei Bücher, die ihr viel versprechend erschienen. Um zu entscheiden, welches davon sie lesen wollte, zog sie sich auf das Sofa zurück, das, mit seiner hohen Rü-
ckenlehne zur Tür gewandt, zum Platznehmen einlud.
Nach einigen Minuten hörte sie, dass die Tür geöffnet wurde und jemand die Bibliothek betrat. Vielleicht war es jemand,
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