Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samtpfoten im Schnee

Samtpfoten im Schnee

Titel: Samtpfoten im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Clare
Vom Netzwerk:
geschweige denn zwei hochwohlgeborene Ladys.
    »Es ist grässlich«, erwiderte Grace gereizt, der es kaum gelang, das Frösteln zu bezwingen, das der Novemberwind ihr verursachte, der pfeifend durch die schlecht schließenden Fenster und die Eingangstür heulte. »Die Kamine qualmen, der Fußboden ist feucht, und durch das Dach regnet es durch. Man hätte uns ebenso gut im Stall unterbringen können.«
    Eine Spur von Mitgefühl trat in Arlenes Augen. »Du wirst dich besser fühlen, wenn wir unsere Sachen ausgepackt haben. Ohne einige vertraute Dinge um einen herum fühlt man sich nirgendwo richtig zu Hause.«
    Grace dachte an die makellose Schönheit Chalfrieds, das jenseits des Waldes stand. Bis heute Morgen war dort ihr Zuhause gewesen. Und jetzt waren sie und ihre Mutter wie überzähliges Gerümpel aus dem Haus geworfen worden -
    und alles auf den Befehl des arroganten Mr. Dalford hin.
    »Dies wird niemals ein Heim sein.«
    »Grace, wir müssen die Gegebenheiten akzeptieren, wie unangenehm sie auch sein mögen.«
    »Aber es ist so ungerecht«, protestierte Grace. »Mr. Dalford besitzt ein halbes Dutzend Häuser. Warum muss er eine arme Witwe in ein verfallenes Cottage verbannen, nur weil er ein paar Tage auf dem Land zu verbringen wünscht?«
    »Weil es sein Recht ist«, erwiderte Arlene sanft.
    »Pah! Du warst mit Mr. Crosswald verheiratet. Es ist dein Zuhause.«
    »Als ich Edward heiratete, haben wir beide gewusst, dass Chalfried eines Tages Mr. Dalford zufallen würde. Uns ist gestattet worden, schon viel länger zu bleiben, als ich zu hoffen gewagt hatte.«
    Natürlich hatte Grace gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Obwohl Mr. Dalford nicht mehr als ein entfernter Cousin Mr. Crosswalds war, hatte er nach dem Tod des älteren Gentlemans vor einem Jahr den Besitz geerbt, und das einfach nur, weil er das Glück hatte, als Mann geboren worden zu sein.
    »O ja, das war wirklich unglaublich großzügig von Mr.
    Dalford.« Grace trat empört auf das winzige Fenster zu. »Er sitzt da, oben umgeben von Luxus, während wir uns hier zu Tode frieren.«
    »Grace.«
    Ihr wurde plötzlich bewusst, dass ihre Klagen eher zu einem störrischen Kind als zu einer jungen Frau von neunzehn Jahren passten. Mit einem reumütigen Lächeln wandte sie sich um. »Es tut mir Leid, Mutter. Es ist auch nur, weil ich es hasse, dich an einem solchen Ort zu sehen. Es kann nicht gut sein für deine Gesundheit.«
    »Es wird schon gehen«, versicherte Arlene, obwohl ihr ebenso wie Grace bewusst sein musste, dass ihre Neigung, sich leicht zu erkälten, sich an diesem zugigen Ort nur noch verstärken würde. »Warum hilfst du Liza nicht in der Kü-
    che?«
    Grace unterdrückte den Wunsch, ihre Litanei fortzusetzen. Schließlich gab es durch das Bejammern des Schicksals nichts zu gewinnen. Für den Augenblick konnte sie nur versuchen, es ihnen hier so angenehm wie möglich zu machen.
    »Also schön.«
    Grace versuchte den Staub zu ignorieren, der ihr das schlichte graue Kleid zu ruinieren drohte, als sie den kurzen Weg vom Wohnraum zur Küche ging. Sie unterdrückte einen Hustenanfall und bereute ihren ungestümen Zorn. Von Natur aus war sie weder verbittert noch rachsüchtig, sie be-saß im Gegenteil ein großzügiges Herz und hegte stets den Wunsch, andere glücklich zu machen. Doch selbst ihre Großherzigkeit war in den vergangenen Jahren schlimm ge-beutelt worden. Zuerst von ihrem Vater, der Frau und Kind verlassen und es vor seinem Tod noch fertig gebracht hatte, das Familienvermögen an diversen Spieltischen durchzu-bringen, und jetzt von einem herzlosen russischen Emigran-ten, der aus einer Laune heraus beschlossen hatte, seinem Besitz, um den er sich seit Jahren nicht gekümmert hatte, einen Besuch abzustatten. Mr. Dalford war es offensichtlich egal zu wissen, dass er durch seine Stippvisite eine ältliche Witwe in dieses verwahrloste Cottage vertrieben hatte.
    Als Grace den schmalen Raum betrat, der als Küche fun-gierte, schauderte sie vor Kälte zusammen. Was nicht weiter verwunderlich war, wie sie rasch schlussfolgerte, denn das junge Hausmädchen hatte die Tür sperrangelweit geöffnet.
    »Liza!«
    Die so Angesprochene, ein eher schüchternes Mädchen, schlug die Hand vor den Mund. »Oh ...«
    Grace spürte ahnendes Unbehagen, als sie in das som-mersprossige Gesicht schaute, das deutlich schuldbewusst wirkte. Liza war ein gutherziges junges Ding, doch sie hatte die äußerst lästige Angewohnheit, Katastrophen zu erschaffen, ganz

Weitere Kostenlose Bücher