Samtpfoten im Schnee
zusammenzubringen, dem berüchtigtsten Schandmaul der guten Gesellschaft. Alexander wollte in den kommenden Wochen beweisen, dass die Gerüchte grundlos waren.
Fast wie aufs Stichwort kämpfte sich jetzt der kurz gewachsene, feiste Mr. Wallace aus der Kutsche. Gekleidet in einen durch die Überfülle von Spitzen an Kragen und Hand-gelenken lächerlich wirkenden Samtmantel, trippelte er geziert und mit einem affektierten Lächeln auf Alexander zu.
»O Gott, wie schrecklich ländlich. Und kaum der Rahmen, den ich für den Russischen Fuchs erwartet hätte.«
Alexander biss die Zähne zusammen, als er diesen Namen hörte, den er sich während des Krieges erworben hatte. Er ging auf seine fintenreichen Attacken und wohl überlegten Rückzüge zurück, mit denen er Napoleon in Wut und fast um den Verstand gebracht hatte. Und da er durch seine Mutter, eine gebürtige Russin, nahe mit dem Zaren verwandt war, schien dieser Beiname für ihn durchaus passend. Bei seiner Rückkehr nach London war Alexander dieser Beiname unglücklicherweise hierhin gefolgt, und selbst der Prinzregent sprach von ihm als dem Fuchs.
Dabei schämte Alexander sich seines russischen Erbes durchaus nicht. Weit gefehlt. Von seiner Mutter hatte er die hohe Statur, das mitternachtsschwarze Haar und die leuchtend blauen Augen. Und auch sein schmales Gesicht mit den hohen slawischen Wangenknochen und der energischen Nase zeigte wenig Hinweis auf seinen englischen Vater. Aber Alexander hatte schnell begriffen, dass die Londoner Adligen gegenüber jedem ein gewisses Maß an Überheblichkeit an den Tag legten, der das Pech hatte, nichtenglisches Blut in seinen Adern zu haben. Es waren nur sein immenser Reichtum und seine Verbindungen zu den meisten der adligen Familien, die es diesen Herrschaften erlaubten, über sein in ihren Augen verwässertes Blut hinwegzusehen.
Das, natürlich, und sein unzweifelhafter Erfolg bei den Damen.
Mit einiger Mühe brachte Alexander ein spöttisches Lä-
cheln zu Stande. Er würde nicht zulassen, dass dieser abscheuliche Wicht ihn wütend machte. Es stand zu viel auf dem Spiel.
»Das zeigt nur, wie wenig Ihr mich kennt, Wally.«
Der kleine Mann verzog den Mund, doch in diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und der altehrwürdige Butler begrüßte sie. »Willkommen, Sir.«
»Danke. Bitte führt meine Gäste auf ihre Zimmer.«
Der Diener verbeugte sich steif. »Selbstverständlich, Sir.
Hier entlang, bitte.«
Der hoch gewachsene grauhaarige Lord Falwell führte Rosalind sogleich die Treppen hinauf, gefolgt von einem zö-
gernden Mr. Wallace. Alexander wartete, bis alle im Haus waren, ehe er seinen Gästen hineinfolgte.
Es mutete Alexander ein wenig seltsam an, dass dieses Haus ihm gehörte. Er hatte Edward so gut wie gar nicht gekannt, bis auf die Pflichtbesuche, die er gemacht hatte und die sich an einer Hand abzählen ließen. Als er nun nach einem Ort gesucht hatte, an den er Mr. Wallace würde bringen können, war ihm Chalfried als der perfekte Rahmen für sein Anliegen eingefallen. Zum einen weil es ein Ort war, wo man weder ihn noch Rosalind kannte, und, noch wichtiger als das, es lag weit genug entfernt von dem Geheimnis, das sie auf seinem Familiensitz in Surrey miteinander hüteten.
Darauf hoffend, dass Mr. Wallaces Anwesenheit das an-sprechende Erscheinungsbild Chalfrieds nicht auf ewig befle-cken würde, stieg Alexander die Freitreppe hinauf und betrat die kleine Halle. Er hatte sich gerade der geschwungenen In-nentreppe zugewandt, als plötzlich ein dünner, kleinäugiger Gentleman auftauchte.
»Mr. Dalford.« Der Fremde machte eine recht linkische Verbeugung. »Ich bin Boswan.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Alexander mit dem Namen etwas anfangen konnte. »Ah ja ... der Verwalter.«
»Jawohl, Sir. Ich hoffe, Ihr findet auf dem Anwesen alles zu Eurer Zufriedenheit.«
In dem einschmeichelnden Lächeln und dem harten Glanz der tief liegenden Augen des Mannes war etwas, was Alexander instinktiv missfiel. »Ich bin kaum in der Lage, das jetzt schon beurteilen zu können, gleichwohl nicht die Gefahr zu bestehen scheint, dass es über mir zusammen-bricht.«
Die hageren Gesichtszüge spannten sich an, aber das ein-studierte Lächeln blieb unverändert. »Nein, in der Tat nicht, Sir.«
»Wir werden uns später unterhalten ... eh ... Boswan?«
Alexander entließ den Angestellten, wobei er sich vornahm, ein wenig seiner Zeit dafür zu erübrigen, etwas mehr über diesen Mann in Erfahrung zu
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