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Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz

Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz

Titel: Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Page
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Maryannes Füßen schien der Boden zu schwanken.
    Venetia wusste wahrscheinlich von dem Brief.
    Nein, natürlich nicht. Maryanne schüttelte das lähmende Gefühl der Schuld ab. Ihre Schwester war gekommen, weil es Zeit war. Zeit zu gehen. Und sie stand immer noch in Nachthemd und Strümpfen da, ihr Haar wirr auf ihre Schultern herabhängend.
    Venetia trug ein hübsches taubengraues Samtkleid, und über ihre Schultern hatte sie sich ein seidengefasstes Musselintuch gelegt, um es vor den Missgeschicken des Babys zu schützen. Trotz ihres ständigen Schlafmangels leuchteten Venetias Augen vor Glück, als sie ihrem Kind über den winzigen Kopf und den zarten Rücken strich.
    „Mir war übel“, verteidigte sich Maryanne.
    „Das wundert mich nicht.“ Venetia schloss die Tür hinter sich und marschierte zur Glocke. Obwohl sie den kleinen Richard in ihren Armen zur Seite schob, um eine Hand frei zu haben, schlief er ruhig weiter; seine dunklen Wimpern ruhten wie zarte Flügel auf den runden Wangen.
    Maryannes Herz machte einen Sprung. Schon bald würde auch sie eine Mutter sein, die ihr Kind in den Armen hielt.
    Wenn sie die schreckliche, mysteriöse Erfahrung der Entbindung überlebte. Sie hatte Venetias Schreie gehört. Und Marcus war an Venetias Seite gewesen, um sie zu unterstützen; das würde Dash nicht für sie tun, oder etwa doch? Er liebte sie nicht.
    Gleich würde die Zofe da sein. Es blieb ihr nur wenig Zeit, um Venetia ihre Frage zu stellen.
    Hatten Marcus und du Sex, während du schwanger warst? Dabei passiert dem Baby nichts – oder doch?
    Doch Maryanne fand nicht den Mut, ihre Frage auszusprechen.
    Obwohl sie es tun musste.
    Dash würde nicht sechs Monate auf sie warten. Er würde in das Bett einer anderen Frau steigen. „Venetia …“ Sie stockte, als sie die zusammengepressten Lippen und den ernsten Blick ihrer Schwester bemerkte. Ihr Herz sank. Venetias Miene konnte nur Ärger bedeuten. Was konnte denn noch passieren?
    „Rodesson ist gekommen“, erklärte Venetia. „Um dir vor deiner Hochzeit einen Kuss zu geben und dir Glück zu wünschen.“
    „Nein!“ Sie hatte das Wort hervorgestoßen, ohne vorher zu überlegen, und der Nachdruck, mit dem sie es ausgesprochen hatte, überraschte sie selbst.
    „Bist du sicher? Er wird natürlich nicht in die Kirche kommen.“
    „Ich weiß.“ Marcus würde sie ihrem Bräutigam zuführen, denn er war ihr Vormund, da ihr Vater offiziell als tot galt. Rodesson, der skandalumwitterte Maler erotischer Bilder, konnte nicht an der Hochzeit einer ehrbaren jungen Frau teilnehmen, einer Frau, die unter dem Schutz einer adligen Familie stand. Das würde sie alle in einen Skandal hineinziehen.
    „Ich will ihn nicht sehen. Schließlich wollte er mich auch niemals sehen.“ Maryanne wünschte, ihre Worte hätten nicht so trotzig und kindlich geklungen.
    Während sie mit leisen Lauten ihr unruhig gewordenes Baby beruhigte, sah Venetia sie erstaunt an.
    Natürlich wunderte sie sich. Maryanne hatte sich stets bemüht, Streit zu vermeiden und Frieden zu stiften. Ihr ganzes Leben lang hatte sie jede Träne, jeden Aufschrei, jeden Protest zurückgehalten. Doch dies war der Morgen ihrer Hochzeit. Dieses eine Mal wollte sie nicht versuchen, es jedem recht zu machen.
    „Er konnte dich nicht besuchen, Maryanne. Das hätte einen Skandal verursacht.“
    Wie wütend Venetias ruhiger, gönnerhafter Ton sie machte. „Du verstehst mich nicht!“
    Mit dem Baby in den Armen setzte Venetia sich auf das Sofa. „Dann erkläre es mir.“
    Früher hätte sie in einem solchen Moment irgendetwas Bedeutungsloses vor sich hingemurmelt. Aber nicht an diesem Morgen. „Ich war Mutters Fehler, das wusste ich immer. Sie mag ihren Frieden mit Rodesson geschlossen haben, aber ich habe meinen Frieden weder mit ihm noch mit ihr gemacht. All die Tränen, die ich in mein Kissen geweint habe, sind nicht durch ein Lächeln und eine Umarmung vergessen. Ich werde meinen Schmerz dadurch nicht vergessen.“
    Venetia starrte sie an. „Fehler …“
    „Natürlich war ich ein Fehler“, unterbrach Maryanne sie. „Glaubst du wirklich, sie wollte noch ein Kind? Aber sie konnte ihm nicht widerstehen und ging mit ihm ins Bett. Ich war der Beweis ihrer Dummheit und ihrer Unfähigkeit, ihre Leidenschaft zu beherrschen. Ich habe gehört, wie sie darüber sprach!“
    „Du nimmst es Swansborough nicht übel, dass er dich verführt hat“, erinnerte Venetia sie.
    „Er verführte nicht Maryanne Hamilton, er nahm eine

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