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Samtschwarze Nacht - Dodd, C: Samtschwarze Nacht - Into the Shadow (Darkness Chosen 03)

Titel: Samtschwarze Nacht - Dodd, C: Samtschwarze Nacht - Into the Shadow (Darkness Chosen 03) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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sieht jedenfalls so aus, als wär’s eine.«
    »Ein archäologischer Fund?« Karens Herz sank ins Bodenlose.
    Ein archäologischer Fund war der ultimative Horrortrip für jeden Bauleiter, denn er bedeutete das Ende sämtlicher Baumaßnahmen. Alle Arbeiten hatten zu stoppen, die entsprechenden Behörden wollten umgehend informiert sein, damit der Fund sicher geborgen und archiviert werden konnte.
    »Wenn wir es keinem erzählen, können wir die Leiche elegant entsorgen und einfach weiterbauen …«
    Sie bedachte Phil mit einem halb mitleidigen, halb mörderischen Blick. »Und was ist mit unseren Leuten? Die Männer haben sich fast die Seele aus dem Leib gebrüllt.«
    »Die bring ich schon dazu, dass sie die Klappe halten«, grummelte er.
    »Meinen Sie, Sie bringen sie auch dazu, wieder ihren Job zu machen?« Sie lief zu dem weiterhin ratternden Bagger und stellte die Zündung aus. Mit einem Blick erfasste sie die Situation. Der Baggerführer hatte einen der riesigen Felsbrocken aus dem Weg geräumt und dabei eine Höhle freigelegt, in der ein in Lumpen gewickeltes Bündel kauerte.
    Der bräunlich verwitterte Schädel war weithin sichtbar. Wahrscheinlich war das der Auslöser für die allgemeine Panik gewesen. »Schalten Sie sämtliche Maschinen aus«, wies sie Phil an. »Wir können es uns nicht leisten, Energie ungenutzt in die Luft zu pusten. Diesel ist hier teuer und schwer zu bekommen.«

    Phil gehorchte. Karen kniete sich neben den grausigen Fund.
    Sie tippte auf ein Kind, so um die fünf Jahre alt, das zusammengekauert wie ein Embryo in der niedrigen Höhle lag, seine Wange auf einen Arm gebettet, als würde es friedlich schlafen. Die kalte trockene Höhenluft hatte den kleinen Körper mumifiziert, dunkel verwitterte Haut überspannte das Skelett, verlieh ihm etwas surreal Menschliches.
    Es war ein fein herausgeputztes Kind gewesen. Das zart gewebte Gewand hatte lediglich ein paar Risse und Löcher, und Karen konnte sogar noch die Farben erkennen, mit denen die Wolle eingefärbt war. Das Kind trug einen Reifen aus gehämmertem Gold um den Hals, goldene Ohrringe und ein Armband um sein schmales Handgelenk. Der Schmuck deutete darauf hin, dass es sich um die mumifizierte Leiche eines Mädchens handelte. Die Kleine lag auf eine Wolldecke gebettet, die sie vor dem kalten Gestein schützen sollte.
    Ein geliebtes Kind. Ein verwöhntes Kind. Ein Kind, das mit Liebe und Zuneigung aufwuchs - um dann brutal geopfert zu werden.
    Denn unter den verfilzten fahlbraunen Haarsträhnen, die das Köpfchen bedeckten, entdeckte Karen ein kreisrundes Loch in dem Kinderschädel.
    »Ach je.« Karens Augen füllten sich mit Tränen. »Du armes kleines Ding.« Ihr war bewusst, dass sie nichts anfassen, nichts verändern durfte - die Archäologen, die demnächst anrücken würden, hätten ihr sonst bestimmt den Kopf abgerissen. Irgendwie empfand sie
tiefes Mitleid für das kleine Mädchen. Mochte der Opfermord auch lange zurückliegen, er brach ihr fast das Herz.
    Sie streckte zaghaft eine Hand aus, legte sie behutsam auf das kleine Köpfchen - und das Kind öffnete die Augen.
    Sie waren türkisfarben wie Karens - genau wie Karens -, und das kleine Mädchen schaute sie an. Karen gewahrte den grenzenlosen Kummer in den meerblau anmutenden Tiefen, bevor die winzigen Lider zuklappten und das Kinderskelett bei der Berührung zu Staub zerfiel.
    Karen schauderte, bevor sie über das Gesehene ungläubig den Kopf schüttelte. Nein, es war unmöglich.
    Sie schaute sich hektisch um, sie mochte in dieser gruseligen Situation nicht allein sein. Sie entdeckte jedoch bloß Phil, der fluchend versuchte, den Motor des zweiten Baggers abzustellen.
    Als sie den Blick abermals auf das Häufchen Staub richtete, gewahrte sie den glitzernden Goldschmuck.
    Dort, wo der Kopf gesessen hatte, wo die Halswirbel den Kinderschädel stützten, entdeckte sie eine weiße, nur wenige Quadratzentimeter große Kachel. Karen hob sie mit spitzen Fingern aus dem Staub.Wischte sie behutsam ab und betrachtete sie.
    Es war eine Ikone, eines der stilisierten Gemälde der Jungfrau Maria, wie sie seit über tausend Jahren in russischen Häusern verehrt wurden. Ihr purpurrotes Gewand und der goldschimmernde Heiligenschein machten die Ikone zu einem kostbaren Kleinod, die
großen dunklen Augen, traurig verschattet auf den Betrachter gerichtet, und eine einsame silbern glitzernde Träne, die über Marias Wange rollte, waren von bedrückender Eindringlichkeit. Karen war tief

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