Samtschwarze Nacht - Dodd, C: Samtschwarze Nacht - Into the Shadow (Darkness Chosen 03)
ihn in einer ihrer Visionen gesehen.
Ein Gesicht wie ein Neandertaler - markiges Kinn, fliehende Stirn -, eine Gesichtshälfte war nach einem Trümmerbruch im Kiefer hässlich entstellt. Schwere Ringe zogen seine Ohrläppchen nach unten, jeder mit einem dicken Bolzen durch die fleischige Haut getrieben. Er schritt majestätisch durch die Schlacht und mähte Warlords Männer nieder, als wären sie Strohhalme. Er war ein Kerl wie ein Baum, brutal, blitzschnell …
Nein. Nein! Sie durfte sich auf gar keinen Fall irgendwelchen Visionen hingeben. Sie musste sich konzentrieren!
Der Neandertaler stand da, die massigen Hände in die Hüften gestützt, seine Augen bohrten sich in ihre, ein stummer Befehl, auf der Stelle zu stoppen.
Die kleine Cessna beschleunigte wie eine Rakete.
Karens Blick klebte am Geschwindigkeitsmesser, der blitzartig ausschlug.Vorsichtshalber nahm sie den Schub ein bisschen weg.
Triebwerke, Motoren, Autopilot, alles aktiviert.
Bevor sie den Neandertaler überrollen konnte, sprang er reflexartig beiseite.
»Was war das?«, flüsterte sie.
»Das war ein Vorgeschmack auf die Hölle.«
24
D ie Weiten der ockerfarbenen Wüstenlandschaft und die mordlustigen Varinskis blieben unter ihnen zurück, dafür empfing sie ein strahlend blauer Himmel mit weiß getupften Schäfchenwolken.
»Was machen Sie da?«, brüllte der Tower sie an. »Sie hatten keine Starterlaubnis! Kehren Sie umgehend auf das Flugfeld zurück! Bei Zuwiderhandlungen machen Sie sich strafbar!«
Warlord streckte die Hand nach der Armaturentafel aus, drückte eine Taste, der Sprecher verstummte schlagartig. Er machte eine Faust und streckte grinsend den Mittelfinger nach oben.
»Was bedeutet das jetzt wieder?«, wollte Karen wissen.
»Das sag ich dir lieber nicht. Jedenfalls kommt das schlimme F-Wort drin vor. Der soll sich seine Zuwiderhandlungen sonst wohin schieben.«
Karen grinste zurück. »Wohin fliegen wir?«
»Steuere das Baby nach Nordwesten. Drei-drei-null scheint mir ein guter Kurs.«
Als sie eine sichere Flughöhe erreicht hatte, schaltete sie auf Autopilot und drehte sich zu Warlord.
Er sah schlimm aus. Sein Zweihundertdollar-Smokinghemd war zerrissen und blutverschmiert. Er hielt die Augen mit den blutverkrusteten Lidern geschlossen, als versuchte er, die grässlichen Visionen auszublenden. Eine Hand auf sein Herz gepresst drückte er die andere auf den Bauch, seine Beine zuckten kaum merklich - wahrscheinlich hatte er immer noch starke Schmerzen.
Er tat ihr zwar zutiefst leid, trotzdem blieb jetzt keine Zeit für Mitgefühl. »Was hast du geplant? Du siehst aus wie ein Schluck Wasser in der Kurve - und mal ganz ehrlich, ich fühl mich auch nicht besonders.«
Er öffnete das gesunde Auge einen Spalt weit und starrte sie dumpf an. »Das macht das Gift. Selbst geringste Spuren können für jemanden wie dich tödlich sein.«
»Ich bin nicht tot, ich fühle mich bloß sterbenselend.«
»Du hast ein paar Tropfen von meinem Blut geschluckt, das hilft gegen das Gift.«
»Wieso? Was ist denn so besonders an deinem Blut?« Mal abgesehen von der Tatsache, dass es mich Dinge wahrnehmen lässt, die du erlebt hast, und ich mich in deine Erinnerungen und deine Seele hineinversetzen kann.
Statt einer Antwort zog er eine Grimasse.
»Es ist … weil du einer von ihnen bist«, entrüstete sich Karen. »Du bist ein … ein Varinski.«
Er funkelte sie mit seinem unversehrten Auge wütend an. »Nein, ich bin ein Wilder. Mein Name ist Adrik Wilder.Vergiss das bitte nie.«
»Warum?«
»Weil ich möchte, dass sich jemand an meinen Namen erinnert, wenn ich bei dieser Mission draufgehen sollte.«
»Du stirbst schon nicht.« Nicht nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Das würde sie nicht zulassen.
»Nein?« Er streckte stöhnend seine langen Beine aus. »Geh in die Kabine und hol mir ein paar Sachen, okay?«
Sie gehorchte, und als sie zurückkehrte, fläzte er sich nackt in dem Sitz, seine Abendkleidung lag zerknüllt auf dem Boden.
Ein Blick, und Karen wusste Bescheid. Er hatte seit dem Himalaja abgenommen, war bloß noch Sehnen und Muskeln, trotzdem war er ein Hingucker. Die ausgezackten Narben auf seinen Schultern verblassten bereits, auf der Brust und auf einem Arm hatte er ein Tattoo: zwei rot zuckende Blitze mit einem goldenen Funkenschweif.
Seine Genitalien waren noch intakt, leider, seufzte Karen heimlich.
»Wann hast du dir das Tattoo machen lassen?« Sie tippte zaghaft auf den Blitzstrahl.
»Das ist
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