Samuel Carver 01 - Target
leuchtete ein: Trench war der perfekte Anwerber, und Carver der perfekte Kandidat für den Job eines Killers, denn er war fähig, gut ausgebildet und ausreichend zornig und desillusioniert, um sich für die richtige Summe die Hände schmutzig zu machen.
Es hatte keinen Zweck, sich zu bemitleiden. Er war gekauft worden. Trench hatte vorgehabt, ihn loszuwerden, sobald sich seine Nützlichkeit erschöpft hatte, wie bei jedem anderen ausgedienten Material auch. Es wäre nicht das erste Mal, dass Trench Männer zu einem Selbstmordkommando ausschickte. Jeder Befehlshaber musste bereit sein, für eine wichtige Sache Leben zu opfern. Carver konnte über den Verrat jammern, er konnte das verletzte Kind spielen, das sich fragt, warum der Papa so gemein zu ihm ist; aber Trench hatte nicht darum gebeten, ein Ersatzvater sein zu dürfen, auch wenn er die Gefühle, die Carver auf ihn projizierte, bequem ausnutzte.
Jedenfalls, schloss Carver seine Überlegungen, war er sein ganzes Leben lang bezahlt worden, damit er Leute tötete. Er war nicht in der Position, sich zu beschweren, wenn ihn mal jemand umbringen wollte.
Allerdings brauchte er sie auch nicht davonkommen zu lassen.
Seine Regenjacke hatte an der linken Brustseite eine tiefe Tasche mit einem senkrechten Reißverschluss. Darin hatte er zwei Plastikröhren von knapp dreißig Zentimetern Länge verstaut. Am unteren Ende waren sie rot; darüber hatten sie einen Streifen Orange, und das obere Ende war gelb und hatte ein aufgedrucktes Logo: ein stehender Bogenschütze über dem Schriftzug »Ikaros«. Unter der Röhre befand sich eine rote Plastikschlaufe.
Carver stellte sich neben die Leiter. Er griff nach oben und zog mit einer Hand den Lukendeckel auf, sodass die mit Gischt durchsetzte Luft und der tosende Lärm des Sturms hereindrangen. Mit der anderen Hand hielt er eine der Röhren waagerecht auf Deckhöhe. Er zog an der Schlaufe. Es gab ein dumpfes Zischen wie beim Zünden eines Feuerwerkskörpers, dann den Schreckensschrei eines Mannes. Die Röhre schoss im Cockpit zwischen den Seitenwänden hin und her, und eine Sekunde später explodierte das Notsignalfeuer.
Als ein dichter roter Rauch durch die Luke wallte, warf sich Carver durch die Öffnung in den höllischen Nebel hinein.
Vor sich konnte er die Umrisse eines Mannes ausmachen. Er sah ihn den Arm heben, dann blitzte Mündungsfeuer auf, als Trench durch den Rauch in die Luke schoss. Drei Kugeln schlugen in den Holzrahmen ein, nachdem sie Carver irgendwie verfehlt hatten, und im nächsten Moment prallten die beiden Männer aufeinander. Carver stieß Trench vor sich her auf die Bank an der Rückseite des Cockpits.
Er hieb ihm mit aller Kraft die Faust in die Weichteile, packte mit der linken Trenchs rechtes Handgelenk und schlug es mit Wucht gegen die Seitenwand, damit er die Pistole losließ. Der Rauch erschwerte ihnen die Lage beträchtlich. Fast war es wie ein Kampf unter Wasser, denn sie konnten kaum atmen, Sauerstoff war knapp, jeder rang ums Überleben. Endlich spürte Carver, dass sich Trenchs Finger an der Pistole lockerten.
Er kümmerte sich nicht um dessen Tritte und Schläge, sondern zwängte die rechte Hand zwischen Trenchs Finger und den Pistolengriff. Dabei bekam er einen Finger zu fassen und bog ihn zurück, bis das unterste Gelenk ausgerenkt war, was Trench einen Schrei entlockte.
Die Waffe fiel zu Boden und rutschte über das regennasse, schaukelnde Deck.
Carver richtete sich heftig atmend und mit tränenden Augen auf. Trench saß vor ihm und hielt sich die verletzte Hand, hustete und rang nach Luft. Er wollte aufstehen, doch Carver schlug ihm rechts und links ins Gesicht, legte die ganze Schulterkraft in den Schlag und griff Trench in die Haare, um seinen Kopf gegen die obere Holzkante des Steuerhauses zu stoßen. Nach drei heftigen Schlägen war Trench benommen und blutete.
Carver packte ihn mit beiden Fäusten an der Jacke und warf ihn auf die Bank in eine aufrechte Sitzhaltung.
»Setz dich auf die Hände«, befahl er.
Trench gehorchte mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Die Leuchtrakete spuckte noch immer Rauch aus, aber der Wind trieb ihn als bauschende rote Fahne davon. Einen Moment lang klärte sich der Rauch um Carver, sodass er etwas frische Seeluft in die brennenden Lungen saugen konnte.
»Wo ist sie?«, fauchte er.
Trench sah ihn aus trüben, leeren Augen an. »Wer?«
Carver schlug ihm hart ins Gesicht.
»Aleksandra Petrowa, die Russin, über die du unbedingt mit mir reden
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