Samuel Carver 01 - Target
Er hob den Kopf und sah Bobby in der Luke.
Bobby schaute sich schläfrig um. »Wo ist Quentin? Was hat der verrückte alte Knabe jetzt wieder vor?«
Er blieb stehen und bedachte Carver mit einem matten Lächeln. »Habe ich etwa das Beste verpasst?«
MITTWOCH, 3. SEPTEMBER
65
Mit seinem benebelten Kopf brauchte Bobby Faulkner mehrere Minuten, um zu begreifen, dass Trench tot war. Danach schrie er Carver eine Weile an und beschuldigte ihn, nannte ihn sogar einen Mörder, und das alles mit lallender Aussprache und sichtlich durcheinander. Er sagte, seine Frau habe recht gehabt, er hätte zu Hause bleiben und zur Arbeit gehen sollen. »Regimentskamerad! Beschissener Quatsch!«, tobte er. »Du bist das Allerletzte. Hätte dich in Frankreich lassen sollen, damit du deine Scheißprobleme selber auf die Reihe kriegst. Gehen mich überhaupt nichts an. Jetzt ist Quentin tot, der beste Kommandeur, den man sich vorstellen kann. Und das ist allein deine Schuld.«
Carver ließ ihn ausreden und erwog derweil seine Optionen. Er könnte die Beschimpfung schlucken und nichts sagen oder auf die gleiche Weise zurückschlagen.
Er neigte eigentlich zu der schweigsamen Variante, was vermutlich auch die erwachsenere Reaktion war. Aber er konnte sich nicht darauf verlassen, dass Faulkner nicht etwas Dummes anstellte, solange er Carver für den Mörder und Trench für das unschuldige Opfer hielt. Außerdem war er müde und ausgelaugt und hatte in dieser Nacht schon genug ausgehalten, von den vorigen Nächten ganz zu schweigen.
Er packte Faulkner am Genick, zog ihn dicht zu sich heran und blickte ihm direkt in die von Drogen getrübten Augen.
»Hör zu«, sagte er. »Hör mir genau zu, denn ich werde das nur einmal sagen: Quentin Trench war ein verlogener, hinterhältiger Dreckskerl, der versucht hat, mich umzubringen. Und du wärst der Nächste gewesen. Er hat etwas in den Grog geschüttet, den ihr beide gestern Abend gebraut habt, und dich damit ausgeschaltet. Mensch, du bist alt genug, um zu wissen, wie solche Sachen laufen. Ich kann es nicht getan haben, oder? Ich stand an Deck Wache.«
Faulkner zuckte bloß mit den Schultern, unfähig, etwas dagegen anzuführen, aber auch nicht willens, Carver Recht zu geben.
»Er hat auf mich geschossen«, fuhr Carver fort. »Aber er hat mich verfehlt. Da …«, er zeigte auf den Holzrahmen der Luke, »da sind die verdammten Löcher. Und das wäre alles gar nicht passiert, wenn du ihn nicht mit ins Boot genommen hättest.«
Carver ließ ihn los und ging zur Ruderpinne, um nach Norden zu steuern und den ersten Schein der Dämmerung abzuwarten.
»Warum sollte Quentin dich denn umbringen wollen?«, fragte Faulkner. »Er hat dich geliebt wie einen Sohn. Hat er mir selbst gesagt.«
»Er hat mich auf einen Einsatz geschickt, von dem ich nicht lebend zurückkommen sollte, und nachdem ich ihn trotzdem überstanden hatte, wollte er das korrigieren. Sieh mal, ich habe die letzten fünf Jahre mit inoffiziellen Aktionen verbracht, von denen keiner wusste, die quasi gar nicht passiert sind. Meine Auftraggeber waren mir unbekannt. Ich habe auch nicht angenommen, dass sie mich kennen. Das war für beide Seiten besser, habe ich gedacht. Jetzt stellt sich heraus, dass ich mich geirrt habe. Einer meiner Bosse wusste genau, wer ich war, denn er hieß Quentin Trench. Ich habe die ganze Zeit für ihn gearbeitet, ohne es zu wissen.«
Faulkner runzelte die Stirn. »Moment mal. Du warst es doch, der mich nach Quentins Nummer gefragt hat. Darum fiel er mir ein, nachdem du wegen der Jacht angerufen hast.«
»Das stimmt. Ich dachte, er könnte mir helfen. Ziemlich blöd, nicht wahr?«
»Aber wie bist du darauf gekommen, dass er dich erledigen wollte?«
»Weil er sich wegen Aliks verplappert hat. Er hätte nicht wissen können, dass sie Russin ist. Das hatte ich dir gar nicht erzählt. Er musste also dazugehören. Danach war nur noch die Frage, ob du auch drinsteckst. Dass das nicht so ist, wusste ich, als ich dich bewusstlos daliegen sah.«
Faulkner kämpfte gegen seine betäubten Synapsen, um das alles zu begreifen. »Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagst? Woher weiß ich, dass du mich nicht auch umbringst?«
»Weil ich es sonst schon getan hätte. Du warst während der vergangenen Stunde bewusstlos. Ich hätte dich jederzeit über Bord werfen können. Aber du kennst die Wahrheit selbst. Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst, bevor du weggetreten bist?«
Carver sah zu, wie Faulkner die Augen
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