Samuel Carver 01 - Target
den Weg trat und ihn nach Waffen abtastete.
Carver wurde mit einem Schlag zu Boden gestreckt, dass ihm die Luft wegblieb. Augenblicklich waren die anderen beiden Kerle bei ihm, zogen Carver hoch, zerrten ihn zum Rinnstein und warfen ihn buchstäblich auf den Rücksitz des Wagens. Bis er begriffen hatte, wie ihm geschah, knallten rechts und links die Türen zu, zeigten zwei Pistolen auf ihn, und ein zäher Bursche in einem Pullover des F.C. Chelsea hielt ein Paar Handschellen hoch.
Carver verfluchte seine Unachtsamkeit und die Müdigkeit, die an beidem Schuld war. Der Zugriff war mit geübter Präzision erfolgt. Aber ganz gleich, wie gut diese Leute waren, er hätte aufpassen müssen, er hätte sie kommen sehen sollen.
Carver fragte sich, ob Wake ihn verraten hatte, aber dafür fiel ihm kein vernünftiger Grund ein. Der alte Mann musste wissen, dass er dann ebenfalls auffliegen würde. Vielleicht waren aber seine Whitehall-Verbindungen so einflussreich, dass er sich für unantastbar hielt.
Oder gab es eine dritte Möglichkeit? Vielleicht hatte das mit Wake gar nichts zu tun. Carver sah sich die Männer an, die neben ihm saßen, und die zwei anderen vorne. Sie wirkten gelassen. Sie hatten kein Wort gesprochen, abgesehen von einer kurzen Funkmeldung, dass sie ihren Mann gefasst hätten und in fünf Minuten wieder da seien. Sie benahmen sich nicht wie irgendwelche Kriminelle. Sie wirkten nicht nervös, schrien keine Drohungen und schlugen nicht unnötig um sich.
Carver ging die Organisationen durch, die von der Vauxhall Bridge Road aus im Umkreis von fünf Minuten ihren Sitz hatten und über gut ausgebildete Leute verfügten, die einen gefährlichen Mann mitten in London und am helllichten Tag ergreifen konnten. Es gab drei Möglichkeiten. Blieb nur abzuwarten, wo der Fahrer als Nächstes abbog.
Er nahm nicht die nächste links, wo es zum New Scotland Yard ging. Also waren es nicht die Bullen. Als er zur Themse hinunterfuhr, nahm er nicht die Vauxhall Bridge, also schied auch der MI6 aus. Stattdessen bog er links auf Millbank ab und fuhr am Fluss entlang, bis er vor einem großen grauen Gebäude mit schmiedeeisernen Laternen hielt, wo ein paar Statuen die unscheinbare Fassade zierten wie hoffnungsvolle Rougeflecke das Gesicht einer unattraktiven Frau.
Jetzt wusste Carver, bei wem er im Auto saß.
72
Das sollte wohl kein normales Verhör werden. Sie saßen in einem gewöhnlichen Büro. Es gab kein Aufnahmegerät, keine Videokameras. Von der kommenden Unterhaltung wollte offenbar niemand einen Mitschnitt.
»Was für ein komplizierter Mensch Sie doch sind«, begann Dame Agatha Bewley, die mehrere Blatt Papier und eine Reihe Photos aus einem schlichten Aktendeckel überflog. »Ihre Adoptiveltern haben Sie als Paul Jackson aufgezogen, das ist deren Familienname und der Name, unter dem Sie bei den Royal Marines und dem Special Boat Service gedient haben. Sie wurden einmal mit dem Military Cross und mit drei Queen’s Commendations for Bravery ausgezeichnet sowie mit zahlreichen kleineren Orden und Auszeichnungen. Eine sehr bemerkenswerte Karriere – ich gratuliere.
Ihr Geburtsname ist Carver. Unter dem üben Sie auch Ihren Beruf aus. Die Pässe, die wir in Ihrem Besitz gefunden haben, lauten jedoch nicht auf Jackson oder Carver. Die weisen Sie als den Südafrikaner Vandervart, einen Kanadier namens Erikson und einen Neuseeländer namens James Conway Murray aus. Das ist seltsam, weil keiner dieser Herren im vergangenen Monat das Vereinigte Königreich betreten hat. Dennoch sitzen Sie hier in voller Lebensgröße. Und hier haben wir«, sie nahm ein Fax vom Schreibtisch, »die Buchung eines Fluges um 14.50 Uhr vom Flughafen Gatwick nach Genf auf einen Mr Murray. Interessant. Reisen Sie häufig nach Genf? Waren Sie am Montag dort? Haben Sie dort vielleicht eine Wohnung?«
»Ich würde Ihnen zu gern helfen, aber ich muss meinen Flug erwischen«, sagte Carver und gab sich Mühe, sie die Unruhe nicht spüren zu lassen, die ihm in den Eingeweiden rumorte und den Hals zuschnürte. An der Wand hing eine Uhr. Sie hatte einen roten Sekundenzeiger, der um das Ziffernblatt fegte und Aliks mit jeder Umdrehung weiter von ihm wegbrachte.
»Um Ihre russische Freundin zu retten, wie? Die KGB-Nutte.« Grantham redete ohne die Vortäuschung höflich-zivilisierter Nachfrage, um die sich Dame Agatha bemühte. Er spielte also den bösen Bullen.
Carver musterte ihn und überlegte, ob das wirklich seinem Charakter entsprach. Grantham
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