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Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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sich anzutreiben gab ihm das Gefühl, wieder lebendig zu sein.
    Er akzeptierte, dass sein Verstand noch auf der Kippe zwischen Genesung und Rückfall stand, wie Dr. Geisel gesagt hatte. Doch er meinte zu spüren, dass ein paar seiner mentalen Türen noch eine Weile fest verschlossen bleiben würden. Nachdem er in den vergangenen Monaten nicht existiert hatte, weigerte er sich, daran zu denken, dass es wieder so werden könnte.
    »Los, weiter«, keuchte er und stieg zurück auf das Laufband. »Und schneller.«
    Und so lief er, und die Erinnerung kam zurück, wie er einmal gerannt war, spät in der Nacht auf einer Straße in Genf. Vor seinem geistigen Auge erschien ein weißer Van mit dem Schriftzug der Schweizer Telefongesellschaft. Er konnte den Mann am Steuer nicht sehen, wusste aber, wer es war: Kursk, einer der Russen. Bei dem Namen zog sich ihm der Magen zusammen. Er wusste auch, wer im Fond des Vans gewesen war. Kursk hatte Aliks entführt. Der Russe hatte sie weggebracht. Aber Carver hatte sie verfolgt, er konnte sich nur nicht genau erinnern, was dann passiert war.
    Aber eins war klar: Er hatte sie wiederbekommen. Wie sonst hätte sie monatelang an seinem Bett sitzen können?
    Mit seinem Erwachen war die tiefe Überzeugung gekommen, dass er sie liebte und sie ihn. Er war sich sicher, dass Aliks ihn nicht allein gelassen hätte, ohne sich wenigstens zu verabschieden. Wo immer sie hingegangen war, sie hatte es nicht freiwillig getan. Er würde nicht ruhen, bis er sie gefunden hatte und sie wieder bei ihm war.
    Jemand vom Trainingspersonal kam auf das Laufband zu und runzelte besorgt die Stirn, als er Carver mit hochrotem Gesicht in dem hellgrauen T-Shirt hecheln sah, das unter den Armen und am Rücken schweißgetränkt war.
    »Vielleicht sollten Sie jetzt aufhören«, meinte er.
    »Nein«, widersprach Carver, »ich will weiterlaufen.«

    Auf der anderen Seite der Stadt wappnete sich ein Mann für einen schwierigen Anruf. Er war gut eins neunzig groß und dünn wie eine Bohnenstange. Sein milchweißes, sommersprossiges Gesicht, in dem freundliche blaue Augen leuchteten, war von rotblonden Rastalocken gekrönt.
    Thor Larsson holte tief Luft und begann, die Tasten zu drücken. Er wartete ein paar Augenblicke, bis sich die Vermittlung der Klinik gemeldet hatte, und sagte: »Bitte das Büro von Monsieur Marchand.«
    Er ging hin und her, bis er zum Finanzdirektor durchgestellt wurde.
    »Es geht um Monsieur Carvers Rechnung …«, begann Larsson. »Könnten Sie mir bitte noch ein paar Tage Zeit geben? Ich glaube, ich werde ein bisschen Geld auftreiben können. Vielleicht nicht die ganze Summe, aber das meiste, das versichere ich Ihnen.«
    Zu seiner Verwunderung klang die Stimme am anderen Ende ruhig, nahezu devot.
    »Monsieur, bitte beunruhigen Sie sich nicht«, sagte Marchand, »dazu gibt es keinen Grund. Monsieur Carvers Rechnung wurde beglichen und für die Zukunft ist gesorgt. Er kann so lange hierbleiben, wie er möchte.«
    »Wie? Wann ist das passiert?«, fragte Larsson.
    »Nun, mal sehen … Das muss zwei Tage her sein, nehme ich an.«
    »Wer bezahlt denn die Rechnungen?«
    »Ich bedaure, Monsieur, das kann ich nicht sagen. Wir haben lediglich Anweisung erhalten, alle ausstehenden Rechnungen an einen Anwalt weiterzuleiten, der einen Klienten vertritt. Wer dieser Klient ist, nun … Wir sind hier in der Schweiz, Monsieur. Wir achten die Privatsphäre der Menschen.«

28
    Gleich als Natalja Morley sein Büro betrat, wusste Kurt Vermulen, dass sie seine neue Assistentin sein würde. Er war schon von ihrem Lebenslauf beeindruckt gewesen. Sie war dreißig Jahre alt, stammte aus Russland, hatte aber dank ihrer Heirat mit dem Investmentbanker Steve Morley (inzwischen geschieden) einen kanadischen Pass. Sie hatten sich in Moskau kennengelernt, wo sie beide für eine Schweizer Investmentbank gearbeitet hatten – sie war die Assistentin seines Chefs gewesen und hatte einen anderen hochdotierten PA-Job angenommen, nachdem Morley in den Hauptsitz der Bank nach Genf versetzt worden war. Schließlich waren sie in die Staaten gegangen, wo die Ehe geschieden wurde. Jetzt versuchte sie allein einen neuen Anfang. Es sah nicht so aus, als würde ihr das Schwierigkeiten bereiten. Ihre Zeugnisse waren hervorragend, und als er die Herren auf den Empfehlungsschreiben anrief, ergingen sie sich in Lob. Dann sah er die Dame und verstand, warum.
    Natalja Morley war eine atemberaubende Schönheit. Während der vergangenen Wochen hatte

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