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Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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leicht ein Kind wie einen Sack Viehfutter unter den Arm klemmen können. Sie hatte einen stark ausgeprägten Mutterinstinkt, zeigte den aber nicht durch überschäumende Liebe oder tränenreiche Besorgnis, sondern in der nüchternen Tüchtigkeit, mit der sie ihre Männer und Sprösslinge (in ihren Augen allesamt liebenswerte, aber im Grunde hoffnungslose Fälle) sauber hielt, warm anzog und beständig satt machte.
    Larsson und Carver hatten für sich einen bestimmten Tagesablauf festgelegt. Sie standen spätestens um fünf Uhr dreißig auf und aßen ein Frühstück, das sie für den Tag rüstete: Haferbrei und Obst, gekochte oder gebratene Eier, kaltes Fleisch und Käse, Toast und Marmelade. Das alles spülten sie mit literweise Orangensaft, Kaffee und starkem süßen Tee (darauf hatte Carver bestanden) hinunter.
    Danach arbeiteten sie an Carvers geistiger Fitness: mit Gedächtnistraining, speziellen Rätseln, mit allem, was seine Fähigkeit förderte, Informationen schnell aufzunehmen, Muster und Abweichungen zu erfassen und sich Gesehenes einzuprägen. Beim nächsten Mal, wenn er eine neue Umgebung auskundschaftete oder auch nur betrat, würde er seinen Verstand beisammenhaben.
    Die Vormittage verbrachten sie in der Langlaufloipe und auf dem Schießstand. Im Norden Norwegens sind die Winter dunkel, nur ein paar Stunden lang herrscht ein dämmriges blaues Licht, bevor die Sonne schließlich Ende Januar wieder bis über die Berge steigt. Doch in der letzten Märzwoche geht die Sonne um fünf Uhr früh auf und geht erst am Abend um sieben unter, und das Licht auf dem Schnee kann blendend klar und intensiv sein. Die Landschaft ist rau und spektakulär: der weiße Schnee, der blaue Himmel, schwarzgraue Felsen und dunkelgrünes Meer treffen aufeinander, wo die Berge in die Fjorde stürzen und das Wasser des Nordatlantiks seinen ewigen erosiven Angriff führt.
    Mit der Zeit fiel Carver auf, dass zwar kein Langlauf ohne stetig zunehmende Schmerzen verging, die sich unausweichlich zu einem großen Finale mit stechenden Muskeln und brennender Lunge steigerten, dass sie aber jeden Tag ein bisschen später einsetzten. Nach und nach begann er, die Prozedur zu genießen. Er freute sich an seiner wachsenden Fitness und war stolz auf seine wiedergewonnenen Leistungen am Schießstand. Jetzt konnte er auch die Herrlichkeit seiner Umgebung würdigen. An manchen Tagen schaffte er sogar eine ganze Runde, ohne dass in ihm der Wunsch entstand, Thor Larsson umzubringen.
    Doch das wurde nie belohnt. Larsson merkte immer, wenn Carvers Hass nachließ. Am nächsten Tag ging er dann noch ein bisschen weiter, setzte ihm härter zu, trieb ihn zu höherem Tempo an, nur um die Schmerzen und die Wut auf ein gehöriges Maß zu treiben.
    Zu Mittag holten sie sich die verausgabte Energie mit Nudeln, Kartoffeln oder Brot zurück. Eiweiß lieferten Geflügel oder Fisch oder, wenn Ebba milde gestimmt war, auch magere, sehr gut schmeckende Portionen Elch und Ren. Mit vollem Magen und geschundenen Gliedern ließ Carver sich für ein paar Stunden aufs Bett fallen. Am Nachmittag wurde er wieder geweckt, um in einem der Außengebäude mit Hanteln und Waffen zu trainieren und den unbewaffneten Zweikampf zu üben. In Norwegen ist der Besitz von Schusswaffen legal und verglichen mit dem übrigen Europa sind sie relativ leicht zu beschaffen. Nach zehn Tagen konnte Carver ein Gewehr und eine Pistole genauso schnell wie Larsson auseinandernehmen und wieder zusammensetzen und ihn beim Zweikampf leicht überwinden. Sein Körper wurde allmählich wieder der alte: 175 Pfund Muskeln und Knochen, alles in einem Gleichgewicht von Ausdauer und Kraft. Er fühlte sich wieder wie ein Kämpfer.
    Drei Wochen später lag die Temperatur nur noch knapp über dem Gefrierpunkt, und in tieferen Lagen fing der Schnee an zu schmelzen. Schließlich, nach dreißig Kilometern Skilanglauf, sagte Larsson zu ihm: »Gut, du bist jetzt so weit. Morgen bereiten wir unsere Ausrüstung vor. Übermorgen geht’s los.«
    »Wohin?«, fragte Carver.
    »Da rauf, vier Nächte. Wir werden alles tragen, was wir brauchen. Dann wird sich herausstellen, wie fit du wirklich bist.«

44
    Der Firmenvertreter konnte seine Begeisterung kaum zurückhalten, als sie zum Flugzeug gingen. Vor vierzehn Tagen hatte Waylon McCabe verlangt, dass an einem seiner Geschäftsflugzeuge einige ungewöhnliche Veränderungen vorgenommen werden sollten, da er ein Wohltätigkeitsprojekt plane. Die Abteilung für Sonderaufträge

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