Samuel Carver 02 - Survivor
Chemikalien anrichteten, und er sah keinen Sinn darin, sich ein paar zusätzliche Wochen zu erkaufen, wenn er nach jeder Behandlung kotzte wie ein Hund und zusehen musste, wie ihm die Haare ausfielen. Er wollte lieber der Alte sein, wenn es so weit war, dass er vor seinen Schöpfer treten musste. Wenn er bis zum Harmagedon noch am Leben war, würde er wissen, dass Gott auf seiner Seite gestanden hatte. Wenn er vorher starb, rechnete er mit einem herzlichen Empfang in der Hölle. So oder so war es bis dahin nicht mehr lang.
45
Carver fühlte sich wieder wie ein normaler Mensch. Also wollte er auch wie einer leben. Am Abend vor ihrer Viertagestour ließen er und Larsson ihre Trainingsdiät beiseite und fuhren nach Narvik auf ein paar kalte Bier, eine deftige Portion Steak und Pommes frites und einen scherzhaften Flirt mit den Kellnerinnen.
Auf dem Heimweg fragte Larsson: »Und wenn sie dich nicht wiedersehen will?«
Carver lachte. »Mich wahrscheinlich schon. Aber bei dir bin ich mir nicht sicher.«
»Nicht die Kellnerin«, sagte Larsson, »Aliks. Wenn du das nun alles auf dich nimmst, um sie zu finden, und sich dann herausstellt, dass sie nicht gefunden werden will?«
Carver runzelte die Stirn. Der Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen. Aber vielleicht hatte Larsson recht. Vielleicht war Aliks gegangen, weil sie es in seiner Nähe nicht mehr aushalten konnte.
»Mann, das ist eine deprimierende Vorstellung«, sagte er. Die gute Laune war ihm vergangen. »Ich will nicht darüber nachdenken. Aber du irrst dich. Sie will, dass ich sie suche. Das war voriges Mal auch so. Warum sollte es diesmal anders sein?«
»Weiß ich auch nicht«, räumte Larsson ein. »Ich meine, als ich zuletzt mit ihr gesprochen habe, war sie eindeutig verrückt nach dir.«
»Na also, und warum denkst du, dass sich das geändert hat?«
»Tue ich nicht. Ich habe nur eine Frage gestellt. Rein hypothetisch.«
»Dann lass das«, sagte Carver. »Ich nehme einfach an, sie will, dass ich komme und sie hole, bis sie mir etwas anderes sagt. Und scheiß auf Hypothetisches.«
»Oh Mist!« Larsson sah in den Rückspiegel. Er schüttelte ärgerlich den Kopf und fuhr an den Straßenrand. Da erst bemerkte Carver den weißen Volvo, der mit Blaulicht hinter ihnen anhielt, und den Polizisten, der auf der Fahrerseite ausstieg.
Larsson drehte die Scheibe herunter und sprach mit dem Polizisten. Carver verstand kein Wort Norwegisch, aber was sie sagten, klang nicht gut. Von seiner Zeit bei den Royal Marines wusste er, dass norwegische Polizisten unangenehm und nachtragend sein konnten, meilenweit entfernt von dem Image der Skandinavier als gelassene, großzügige Menschen, wie es in Großbritannien vorherrschte.
Larsson wurde aufgefordert, auszusteigen und zum Kofferraum zu gehen, wo wieder ein kurzer Wortwechsel stattfand. Dann musste er ins Röhrchen blasen. Der Polizist gab Larssons Personalien in seinen tragbaren Computer ein, dann ließ er ihn mit frustriertem Gesicht weiterfahren.
»Warum war der so sauer?«, fragte Carver.
»Ich lag unter der Promillegrenze«, berichtete Larsson. »Er konnte mich nicht wegen Alkohol am Steuer verhaften, also werde ich meinen Führerschein behalten. Aber er hat mich mit kaputtem Rücklicht erwischt. Das gibt eine Geldstrafe.«
Sie fuhren zurück zu Ebbas Hof. Und während sie das taten, stieß ein Computer, der unaufhörlich die Netzwerke in aller Welt durchkämmte, auf einen Namen, den herauszufischen er programmiert war, und warf die dazugehörenden Personalangaben aus. Ein paar Stunden später, zu Beginn des neuen Arbeitstages, betrat ein Mann das Büro seines Chefs und sagte: »Raten Sie mal, wer eben in Norwegen aufgetaucht ist.«
APRIL
46
Zwei Tage vorher waren Aliks und Vermulen in Rom angekommen. Im Excelsior Hotel wartete eine Ansichtskarte auf ihn mit dem Bild eines südfranzösischen Dorfes und dem Namen »Tourrettes-sur-Loup« in verzierter Schrift.
Auf der Rückseite stand: »Ich habe Ihnen ja gesagt, ich würde etwas Großartiges finden. Das MÜSSEN Sie sich ansehen: Bon Repos, Chemin du Dauphin. Man muss ein bisschen Arbeit reinstecken. Wegen eines guten Bauunternehmers rufen Sie Kenny Wynter an …« Es folgte eine Telefonnummer und als Unterschrift »Pavel«.
»Novak mal wieder«, meinte Vermulen lächelnd, als Aliks nachfragte. »Ständig will er einem was verkaufen.«
Aliks saß in der Sauna des Hotels, entspannte sich in der feuchten Hitze und schwitzte sich die Gifte aus dem
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