Samuel Carver 02 - Survivor
das waren die Sicherheitsvorkehrungen eines erfahrenen Profis, der einen Auftrag verfolgt.
Es war an der Zeit, ein wenig auf die Unterstützung anderer zurückzugreifen. Mulvagh arbeitete ziemlich gut mit Ted Jaworski drüben in Langley zusammen, und auch mit Bob Lassiter, dem NSA-Mann in dem Bomben-Team. Ihnen erzählte er das Wesentliche aus Kadys Theorie und seine eigenen Ermittlungsergebnisse. Beide sagten ihm, er müsse den Verstand verloren haben, dass er auch nur an eine Untersuchung dächte, erklärten sich aber bereit, inoffiziell einen Blick auf die Sache zu werfen. Dann wandte Mulvagh sich an die Polizei in Washington.
Dort war man so abweisend wie alle Polizisten, wenn es darauf ankam, mit dem FBI zusammenzuarbeiten, aber nachdem Mulvagh den Kriminalbeamten, der für den Fall Mary Lou Stoller zuständig war, überzeugt hatte, dass er sich nicht in seine Ermittlungen hineindrängen wollte, kam es zu einem nützlichen Gespräch.
»Keiner hört mit, und was ich sage, wird nirgendwo genannt?«, fragte der Mann.
»Sicher«, sagte Mulvagh. »Ich will bloß wissen, was sich Ihrer Meinung nach abgespielt hat. Ich brauche keine Beweise. Ich will wissen, was Ihr Instinkt darüber sagt.«
»Okay. Offiziell war das ein Raubüberfall, der schiefgegangen ist. Aber mein Instinkt sagt mir, das ist Blödsinn. Wer Mrs Stoller getötet hat, war ein Profi.«
»Wieso?«
»Das war zu gut ausgeführt. Ich meine, sicher, es sah aus wie ein Raubüberfall, aber der Tatort war sauber. Es wurden keine Spuren hinterlassen, keine Fingerabdrücke, keine DNA, und der einzige Fußabdruck stammte von einem gewöhnlichen, noch neuen Florsheim Herrenschuh Größe 10. Überhaupt nicht zurückzuverfolgen, die werden zu Tausenden verkauft. Aber das verrät mir etwas. Ich meine, ist Ihnen schon mal ein Parkräuber untergekommen, der Florsheims trägt? Und außerdem hat der durchschnittliche Kleinverbrecher so viel Hirn wie die Yucca-Palme, die mein Lieutenant in ihrem Büro stehen hat, verstehen Sie, was ich meine? Nicht zu vergessen, dass er höchstwahrscheinlich gerade auf Methadon ist. Also macht er Fehler und hinterlässt Spuren. Mann, Sie wissen doch, wie diese Kerle sind. Aber wer diese Tat begangen hat, glauben Sie mir, der war nicht blöd. Der wusste, was er tat. Und wir werden ihn niemals schnappen. Das ist es, was mein Instinkt mir sagt, Agent Mulvagh.«
»Danke, Detective, ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen.«
»Na, dann nehmen Sie ’s mir nicht übel, wenn ich frage: Was ist beim FBI los, dass Sie vertraulich bei mir anrufen, um etwas über diese spezielle Ermittlung zu erfahren? Mrs Stoller, Gott hab sie selig, war niemand Wichtiges.«
»Nein, sie nicht«, sagte Mulvagh, »aber ihr Boss.«
»Au, Scheiße, das hätte ich kommen sehen müssen …«
»Keine Sorge, Detective, ich habe Ihnen mein Wort gegeben, dass unser Gespräch geheim bleibt. Da wird nichts auf Sie zurückfallen.«
Nachdenklich legte Mulvagh auf. Er hatte ein bisschen ermittelt, um jemandem einen Gefallen zu tun, aber jetzt war nicht mehr von der Hand zu weisen, dass etwas sehr Merkwürdiges um Kurt Vermulen vorging. Seine Europareise war viel mehr als ein längerer Urlaub. Aber hatte er auch die Ermordung seiner alten Sekretärin geplant? Um sie loszuwerden und sich was Jüngeres anzuschaffen, hätte er sie nur zu feuern brauchen. Wer profitierte also von Mary Lou Stollers Tod? Der einzige Kandidat war seine neue Sekretärin, diese Morley. Aber die erschlug mit Sicherheit keine Frauen im Glover-Archbold Park. Hatte es jemand für sie getan? Und wenn ja, warum?
Er rief noch einmal Ted Jaworski an. »Ich muss ehrlich sein«, sagte er, »es ist noch immer nicht gesichert, dass das direkt mit der Aufgabenstellung unseres Teams zu tun hat. Aber Kady Jones vermutet es, sie ist der Experte für Kernphysiker, und alles, was ich bisher herausgefunden habe, hat ihren Verdacht bestätigt. Wir müssen uns diese Natalja Morley mal näher ansehen und gründlich nachforschen, sowohl hier als auch in Übersee. Jemand wollte, dass sie die Stelle bei Vermulen bekommt. Wir sollten uns informieren, wer das ist.«
54
Kenny Wynter verließ sein Haus um halb sechs am Morgen, um den frühen British Airways-Flug von Heathrow nach Nizza zu bekommen. Es waren fünfundvierzig Minuten bis zum Flughafen, vielleicht auch weniger – um diese Uhrzeit war die Strecke für den Porsche ein Klacks. Danach den Wagen beim Parkservice abgeben und am Club Europe-Schalter einchecken,
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