Samuel Carver 02 - Survivor
nur Handgepäck, ganz unkompliziert.
Er fragte sich, wie Vermulen wohl war. Sein Kontaktmann, der ihn wie immer über seine persönliche Messagebox auf einer Fanseite des FC Arsenal angesprochen hatte, hatte ihm die groben Fakten genannt. Vermulen war ehemaliger Soldat, ein hoher Offizier, der ins Privatgeschäft gewechselt war. Er wollte, dass etwas aus einem Haus in Südfrankreich gestohlen wurde, ein kleines Päckchen von hohem Wert. Das konnte alles sein, vom Diamanthalsband bis zum Datenträger mit Firmengeheimnissen. Wie auch immer, dieser Vermulen war ein ernst zu nehmender Auftraggeber mit tadellosen Verbindungen und einer dicken Brieftasche. Wynter konnte sich zumindest anhören, was der Mann anzubieten hatte. Und das Schlimmste, was ihm passieren konnte, war eine nette Reise. Er hatte vor, die Nacht über zu bleiben und sich ein bisschen Spaß an der Riviera zu gönnen.
Er bog auf die M25 ein, die Autobahn, die einen 188 Kilometer langen Ring um den äußeren Rand von London zog. Die meiste Zeit des Tages war sie verstopft vom gigantischen Verkehr, aber jetzt, wo gerade der Morgennebel aufstieg, war kaum ein Fahrzeug unterwegs. Wynter heftete sich auf die Überholspur und fuhr gleichmäßig hundertdreißig. Es lockte ihn, viel schneller zu fahren – was viele Leute taten. Aber das hieße, das Schicksal herauszufordern. Wenn irgendwo Polizei stand, würden sie einen Wagen mit hundertdreißig ignorieren, aber keinen mit hundertfünfzig. Ab hundertfünfzig riskierte man, angehalten zu werden.
Er sah in den Außenspiegel. Hinter ihm auf der Spur fuhr eine alte Karre. Der Fahrer holte das Letzte aus dem Motor heraus und kam schnell näher. Er sah aus wie ein richtiger Idiot, trug schon Sonnenbrille und Baseballkappe, wenn die Sonne noch kaum aufgegangen war. Wynter trat ein bisschen aufs Gas, um den Abstand zu vergrößern, und der Porsche beschleunigte mühelos. Doch die blöde Klapperkiste holte schon wieder auf und näherte sich, bis sie ihm praktisch auf der Stoßstange saß.
Dann gab ihm der Fahrer dreimal wütend Zeichen mit der Lichthupe.
Wynter musste lachen. Der Kerl wollte ihn wohl verarschen.
Jetzt musste Wynter sich entscheiden. Er konnte das Pedal durchtreten und machen, dass er wegkam, aber dann würde garantiert ein Bulle um die nächste Ecke kommen, und Wynter musste das Flugzeug erreichen. Also zog er auf die andere Spur, bremste ein bisschen ab und ließ den Kerl vorbei.
Als die Wagen auf gleicher Höhe waren, schüttelte Wynter verwundert den Kopf. Er wurde tatsächlich von einem blöden Honda Accord überholt. Er blickte zu dem Verrückten hinüber und bedachte ihn mit einem herablassenden Kopf schütteln, damit der wusste, was für ein armseliges Arschloch er war. Dann sah er wieder auf die Fahrbahn.
In diesem Moment hörte er, wie der Motor im anderen Wagen aufheulte. Dann quietschten Reifen, der Accord schwenkte auf seine Spur herüber und knallte ihm in die Seite. Für eine Sekunde waren die Wagen ineinander verhakt wie zwei Ringer. Funken stoben am Fenster vorbei. Wynter konnte hören und fühlen, wie die Seitenbleche zerschrammten – sein schönes nagelneues Auto.
Wynter wollte zuerst nicht glauben, was passierte. Er hatte schon allerhand über solche Angriffe mit dem Auto gehört. Die M25 war berüchtigt für so was. Die Verkehrsprobleme würden selbst den Dalai Lama zum Psychotiker machen. Doch dann verwandelte sich seine Reaktion in Wut. Was war das für ein Idiot, der einen Porsche mit einem Accord angriff? Nicht nur die Gewalt schockierte ihn, sondern auch die Respektlosigkeit. Wynter hatte Stärke, Gewicht und Schnelligkeit auf seiner Seite. Er würde gleich verschwinden, doch vorher wollte er diesem Knallkopf eine Lektion erteilen. Er zog hart nach rechts, um den anderen gegen die Mittelleitplanke zu drängen.
Doch der Honda war nicht mehr da. Der Fahrer hatte das wohl vorausgesehen, denn er war auf die Bremse gestiegen und dem Porsche ausgewichen. Jetzt fuhr er wieder direkt hinter ihm, blinkte ihn mit den Scheinwerfern an und blendete ihn im Rückspiegel. Dann rammte er ihn von hinten.
Wynter konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf das Geschehen am Heck, und so bemerkte er nicht den Sattelschlepper, der vor ihm auf die Mittelspur zog, um einen Zementmischer zu überholen, der sich eine Steigung hinaufquälte. Er sah auch nicht den Range Rover hinter dem Sattelschlepper. Bis er wieder nach vorn blickte, war er schon viel zu dicht aufgefahren.
Wynter trat auf
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