Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
Vom Netzwerk:
strengten sich mäßig an und gingen anschließend auf einen Drink und einen Happen zu essen in den Orange Tree Pub in Totteridge Village. Um acht Uhr stand sein nagelneuer Porsche 911 Carrera S auf dem Parkplatz hinter dem Pub. Er war schiefergrau und innen mit schwarzem Leder ausgestattet. Wynter saß im Schankraum und trank bei der ersten Runde Bier mit.
    Auf dem Parkplatz fuhr ein Wagen neben den Porsche. Es war ein zehn Jahre alter Honda Accord mit verblasstem mittelblauen Lack. Jeder Passant, auch wenn er sich nur wenig für Autos interessierte, hätte den 911 erkannt. Doch der alte Accord war außer für eingefleischte Honda-Fans nur einer der vielen langweiligen Pkws, die sich keiner merken konnte. Genau darum hatte Carver ihn gekauft, und zwar an diesem Nachmittag für 450 Pfund Cash aufgrund einer Kleinanzeige im Auto Trader.
    Er trug einen grauen Polyesteranzug und ein weißes Polyesterhemd. Sein blauer Schlips mit hellblauen und weißen Streifen war aus Reyon. Als Schuhe trug er glänzende hellgraue Slipper mit einer Schnalle über dem Spann, bei der die goldene Farbe stellenweise abgerieben war und das blanke Metall durchkam. Die Aktentasche, die auf dem Beifahrersitz lag, war alt und abgegriffen. Seine getönte Goldrandbrille war der jämmerliche Versuch eines Angebers, souveräne Individualität zu markieren.
    Carver war unrasiert. Die Strähnen einer mausgrauen Perücke hingen ihm über Ohren und Nacken. Sie trug zu dem allgemeinen Eindruck eines mittelmäßigen Büroangestellten bei und verdeckte seine eigenen Haare, die genauso geschnitten und gefärbt waren wie die von Wynter. Am nächsten Morgen würde er Kontaktlinsen mit Wynters Augenfarbe tragen. Bis er in das Flugzeug nach Frankreich stieg, würde er Kenny Wynter sein.
    Jetzt stieg er aus dem Honda. Die Fahrertür öffnete sich zur Beifahrerseite des Porsche. Carver trat auf den Asphalt, drehte sich zum Wagen um und nahm die Aktentasche vom Beifahrersitz. Als er sie herausgezogen hatte, löste sich der Druckverschluss, sie fächerte auf, und der Inhalt – ein halb gegessenes Sandwich in einer Zellophanschachtel, ein billiger Taschenrechner, ein zerkauter Bleistift und eine Ausgabe des Daily Express – fielen zwischen den beiden Fahrzeugen auf den Boden.
    Fluchend ging Carver in die Hocke und fing an, seine Habseligkeiten aufzusammeln. Für eine Sekunde reckte er den Kopf und blickte prüfend über den Parkplatz. Er war allein. Er duckte sich wieder und nahm einen kleinen, durchsichtigen Beutel mit Zippverschluss aus der Innentasche seiner Jacke. Er enthielt ein kleines, nur wenige Zentimeter langes Werkzeug. An einem Ende hatte es eine flache schwarze Plastikscheibe, sodass es sich senkrecht hinstellen ließ. Ansonsten bestand es aus einem zylindrischen Schaft, ähnlich dem eines Schraubenziehers, hatte aber am anderen Ende kein stumpfes Blatt, sondern eine umlaufende Kerbe.
    Carver schraubte die Kappe des vorderen Radventils ab und legte sie auf den Boden. Dann führte er das Werkzeug in das Ventil ein, das sich um die Kerbe schmiegte, und drehte es gegen den Uhrzeigersinn. Das Ventil schraubte sich aus seinem Gummimantel und glitt heraus, wobei es an dem Werkzeug haften blieb. Die Luft begann zischend zu entweichen. Sofort drückte Carver den Daumen auf das offene Röhrchen. Das Letzte, was er wollte, war ein geringerer Reifendruck, der auffiel. Mit der anderen Hand stellte er das Werkzeug mit dem Ventil nach oben auf den Boden, nahm das Ventil ab und ließ es in die Hosentasche gleiten.
    Dann griff er in die Plastiktüte und entnahm ihr ein identisch aussehendes Ventil. Das setzte er auf das Werkzeug, zog den Daumen weg und schraubte es in den Reifen. Zuletzt schraubte er die Ventilkappe wieder auf. Die ganze Operation hatte dreißig Sekunden gedauert.
    Ein Wagen fuhr auf den Parkplatz und parkte zwanzig Meter weiter weg. Ein Mann und eine Frau stiegen aus. Carver sammelte das Zeug aus seiner Aktentasche ein, aber er brauchte nicht groß zu schauspielern. Das Paar war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihn auch nur zu bemerken. Sie schlenderten Arm in Arm in den Pub.
    Er ließ ihnen ein paar Sekunden Vorsprung, während er die Aktentasche füllte, dann ging er ebenfalls auf ein Glas hinein.
    Niemand schenkte ihm Beachtung, als er zeitunglesend vor seinem Bier saß. Wynter und seine Tennisfreunde saßen am Nachbartisch. Carver beobachtete sie und hörte zu. Wynter sah dem Anlass entsprechend aus: ausgeblichene Jeans, dunkelblauer

Weitere Kostenlose Bücher