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Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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sich selbst zu entzünden, wie Maler und Dekorateure – ganz zu schweigen von deren Kunden – manchmal bitter erfahren müssen. Wenn das Öl der Luft ausgesetzt ist, oxydiert es und setzt Hitze frei. Je größer die Oberfläche, desto mehr Hitze entwickelt sich. Wenn man das Leinöl dünn auf der relativ großen Fläche eines Baumwolllappens verteilt, maximiert man den Effekt, und die Hitze steigt. Über einen Zeitraum von ungefähr sechs Stunden kann der Lappen eine Temperatur von vierhundertdreißig Grad Celsius erreichen, was genügt, damit er zu brennen anfängt.
    Aber dabei gibt es einen Haken. Wenn es einen zu geringen Luftzug gibt, reduziert sich der Oxydationsprozess enorm. Wenn er zu groß ist, wird die entstehende Hitze verteilt. Das ist wie beim Feueranzünden: Lässt man der Flamme zu wenig Luft, geht sie aus, bläst man zu heftig, geht sie ebenfalls aus. Man muss das richtige Gleichgewicht finden.
    Das Ideal zwischen zu viel und zu wenig Luft erreicht man, wenn man den leinölgetränkten Lappen in einen offenen Behälter steckt. Eine leere Farbdose ist perfekt.
    Sauerstofftabletten für das Wasser im Aquarium haben genauso mächtige chemische Eigenschaften. Ihre Aufgabe ist es, das Wasser aufzufrischen, indem sie Sauerstoff erzeugen. Ihre aktive Substanz ist Kaliumchlorat, ein äußerst wirksames Oxidans. Wie bei dem Leinöl setzt auch hier die Oxidation Energie in Form von Hitze frei. Und wenn die hoch genug ist, kommt es zu einer Explosion. Kaliumchlorat ist ein sehr effektives Oxidationsmittel, was erklärt, warum es bei vielen hausgemachten Sprengstoffen verwendet wird, zum Beispiel von Hobbyfeuerwerkern oder von Terroristen. Carver hatte die Tabletten im Mörser zu Pulver zerkleinert und mit Zucker vermischt, wodurch es eine größere, hellere Explosion geben würde.
    Diese Mischung hatte er in die ausgeleerte Chipstüte geschüttet, die Chips wieder hineingefüllt und die Tüte zugeklebt. Auch die Flasche mit dem »Orangensaftgetränk« war präpariert, denn sie enthielt in Wirklichkeit Azeton, das er zusammen mit der Malerausrüstung in dem Haushaltswarengeschäft gekauft hatte, versetzt mit oranger Lebensmittelfarbe und Zucker. Azeton ist eine sehr leicht entflammbare Flüssigkeit, deren Dämpfe schon bei einem Funken explodieren können. Zu den Eigenschaften des Zuckers gehört es, dass er bei Hitze karamelisiert und extrem klebrig wird. Darum bewirkt die Beimischung von Zucker bei dieser Art von Flaschenbombe oder Molotowcocktail, dass die Flammen an ihrem Opfer kleben wie Napalm.
    Der Verdünner und die Lackfarbe brauchten keine Zusätze. Sie würden im Originalzustand von Nutzen sein.
    Mit ihrem Inhalt war die Malertasche im Grunde eine selbstzündende Brandbombe. Nachdem Carver sie deponiert hatte, war er mit dem Bäcker ins Dorf zurückgefahren, hatte aus seinem Hotel ausgecheckt und war über die malerische Strecke wieder auf den Berg gefahren. Er wanderte zum zweiten Mal zu seinem Beobachtungsposten, diesmal mit der Ausrüstung, die Vermulens Leute ihm besorgt hatten. Dann wartete er.
    Bis Mittag stieg die Lufttemperatur auf fünfundzwanzig Grad. Die Frauen sonnten sich mit der Dankbarkeit des Nordeuropäers, der einen langen, kalten Winter hinter sich hat. Die Männer zeigten ihre Oberkörper mit den Tätowierungen, die in der russischen Bandenwelt ein wesentliches Statusmerkmal sind. Die Hunde dösten im Zwinger, wobei ihr träges Verhalten weniger der warmen Sonne auf ihrem Fell als vielmehr der großen Menge Valium – 50 mg in der Pastete auf den belegten Broten – in ihrem Blutkreislauf geschuldet war.
    Die übrigen Hausbewohner aßen spät zu Mittag, erst gegen zwei Uhr. Um halb drei übernahm George die Torwache. Bagrat und Linda gingen ins Haus, um Sex und ein Nickerchen zu machen. Alle anderen lagen bewegungslos am Pool. Kurz darauf sah Carver die ersten Rauchfäden aus seiner Segeltuchtasche aufsteigen.
    Er schickte Vermulen eine Nachricht: »Übergabe wie geplant, 19.00 in der Bar.« Er schrieb die Wörter ganz aus. Den Abkürzungsjargon im Netz hielt er für infantilen Blödsinn, und ein pensionierter General würde das sicher genauso sehen. Er bezweifelte sogar, dass Vermulen jemals in seinem Leben in die Situation gekommen war, eine SMS zu schreiben.
    Bis er damit fertig war, hatte sich eine deutlich sichtbare Flamme entwickelt. Um den Brand noch zu beschleunigen, hatte er die Tasche von innen mit Leinöl bestrichen. Die Flamme würde sich rasch ausbreiten.
    Dann hörte

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