Samuel Carver 03 - Assassin
konnte nun eine Montage vornehmen, die das Geschehen davor, dann die Explosion und das Danach aus verschiedenen Blickwinkeln darstellte. Er wusste jetzt, dass Madeleine Cross nicht gelogen hatte, als sie den Abend an ihrem Caf é tisch beschrieb. Er konnte sie hinter den Grimassen schneidenden Jungen sehen. Desgleichen Larsson. Und ja, da sa ß ein Dritter am Tisch, der aufstand, als die Aufnahme begann. Das musste Carver sein.
Erst nachdem er sich ü ber zwei Stunden lang dieselben paar Minuten immer wieder angesehen hatte, fiel ihm eine vierte Person auf, ein rothaariger Mann, der drau ß en vor dem Caf é stand und eine SMS schrieb. Derselbe Mann war auf einem anderen Film zu sehen, wie er das Hotel betrat, eine Sekunde vor der Explosion. F ü nfzehn Sekunden sp ä ter tauchte er erneut auf. So auch ein Mann, der offenbar ein ganz ä hnliches T-Shirt trug wie der in dem Caf é , den Ravnsborg als Carver identifiziert hatte. Er stand einen Moment lang vor dem Hotel, ein einzelner, starrer Punkt in dem allgemeinen Gedr ä nge ringsherum. Dann trat der Rothaarige von hinten an ihn heran.
Er hat ihn ü berrascht, dachte Ravnsborg und vergr öß erte das Bild, damit er Carvers Gesicht erkennen konnte.
Der Rothaarige stellte sich ganz dicht an ihn heran und fl ü sterte ihm etwas ins Ohr. Instruktionen vielleicht? Oder Drohungen? Denn Carver verzog zweimal das Gesicht, als ob ein Schmerz ihn durchzuckte. Ravnsborg w ü nschte, er h ä tte eine Aufnahme von der Seite, damit er erkennen k ö nnte, was der Rotschopf Carver an den R ü cken dr ü ckte. Die naheliegende Vermutung war ein Messer, denn Carver wich ruckartig nach vorn aus, bog den R ü cken durch und fuhr sich mit den H ä nden an die Nieren.
Dann verfolgte Ravnsborg, was Carver nicht gesehen hatte: Der Rothaarige wich zur ü ck, mischte sich unter die Menschenmenge und verschwand die Stra ß e hinunter. Carver sah sich kurz darauf um. Er entdeckte jemanden – Larsson, wie Ravnsborg wusste – und rannte weg.
Aber warum? War das die ü bliche Reaktion eines Schuldigen, der vom Tatort flieht? Oder floh Carver aus anderen Gr ü nden?
Die Antwort auf seine Frage, da war sich Ravnsborg sicher, lag oben auf dem Dach des Opernhauses. Er holte sich noch einen schwarzen Kaffee und ging wieder an seinen Platz. Er sa ß vor einem PC mit einem Bildschirm so gro ß wie ein Breitwandfernseher. Dort konnte er mehrere Aufnahmen nebeneinander betrachten.
Seine jungen Kollegen hatten das ganze Material, das sie aufgetan hatten, nach Uhrzeit, Ort und Vorfall in Ordner sortiert. W ä hrend er seinen Kaffee schl ü rfte, klickte er auf den Opern-Ordner. Dort gab es neun verschiedene Videodateien und 114 Fotos.
Ravnsborg rieb sich die brennenden Augen. Er schlug sich auf die Wange, um wieder munter zu werden, dann machte er sich an die Arbeit.
53
Karin Madsen lag um drei Uhr früh im Bett und sah den Mann, den sie heiraten w ü rde, aus dem Badezimmer kommen. Es war d ä mmrig, aber an der Haltung seiner Schultern und an dem schweren Seufzen merkte sie, dass etwas nicht in Ordnung war, etwas, das nichts mit den Anstrengungen der letzten sechs Stunden zu tun hatte.
Sie st ü tzte sich auf den Ellbogen und fragte: » Was hast du? «
» Was soll ich haben? «, murmelte er, und es h ö rte sich fast so an, als wollte er absichtlich ersch ö pft klingen.
» Glaubst du, ich merke nicht, dass etwas nicht in Ordnung ist? Komm schon, Thor.«
» Ich bin blo ß fertig, wei ß t du. Es war ein langer Tag, und ein h ö llischer Abend.«
» Ich wei ß , Liebling, es muss schrecklich gewesen sein. Ich verstehe das. Aber das meine ich nicht. Ich kenne dich zu gut, Thor Larsson. Ich habe deine Bettpfanne geleert und dir den Hintern abgewischt. Du kannst mir nichts vormachen. Also, was ist los? «
Er setzte sich auf die Bettkante. » Ja, Kari, es ist etwas los «, best ä tigte er gereizt das Offensichtliche. » Mein ä ltester Freund ist verschwunden. Die Polizei behauptet, dass er den Anschlag ver ü bt hat. Seine Freundin wei ß nicht, ob er tot ist oder ob er noch lebt, ob er schuldig ist oder unschuldig. Ich wurde von der Polizei befragt, und es hie ß , sie w ü rden mich wieder sprechen wollen. Und ich werde wahrscheinlich einen Haufen Bullen als ungeladene G ä ste bei meiner Hochzeit haben. Das ist los.«
Nun, das war eine plausible Erkl ä rung, aber das war noch nicht die ganze Geschichte, das wusste Karin genau. Da nagte noch etwas anderes an seiner Seele. Aber was es
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