Samuel Carver 04 - Collateral
wahrscheinlich losgefahren sind.«
»Als die ersten XPT-Leute eintrafen, waren sie also schon weg?«
»Hm-hm. Sie kamen nach genau fünf Minuten und neunzehn Sekunden, was innerhalb der garantierten Zeitspanne liegt. Aber die restlichen Täter hatten sich schon aus dem Staub gemacht.«
»Und Miss Latrelle?«
»Sie saß unversehrt im Schutzraum. Die meisten großen Villen hier haben einen. Sie war danach völlig aufgelöst und stand unter Schock. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, um sie zu beobachten. Aber eigentlich ist ihr nichts passiert. Sie ist jetzt oben, falls Sie mit ihr sprechen möchten.«
»Das wäre gut.«
Sie gingen zum vorderen Flur, wo eine Treppe aus Stahl und Glas in den ersten Stock führte.
»Klerk wäre also nichts passiert, wenn er mit Miss Latrelle in den Schutzraum gegangen wäre?«, fragte Carver.
»Jep.«
»Die Täter müssen also gewusst haben, dass er das nicht tun würde, und haben darum Lärm gemacht und ihn geweckt. Sie kannten die Alarmvorrichtungen und die Lage der einzelnen Räume und ... Moment mal.«
Carver hielt am Fuß der Treppe inne. Als er weitersprach, flüsterte er.
»War Miss Latrelle vielleicht der Informant? Sie spielt vielleicht die schöne Trophäenfrau, aber sie ist nicht dumm.«
Parkes nickte. »Ganz meine Meinung: Man darf sie nicht unterschätzen.«
»Sie könnte die Grundrisse beschafft haben«, fuhr Carver fort. »Sie könnte gewusst haben, wie Klerk bei einem Einbruch reagieren würde. Und sie wusste, dass ihr in dem Schutzraum nichts passieren konnte. Warum nicht sie?«
»Sie ist eine Verdächtige, klar. Aber ich sag Ihnen was: Ich bin gestern hier gewesen, ein paar Minuten nach den Jungs von XPT, und ich habe Miss Latrelle gesehen, als sie sie aus dem Schutzraum holten. Beim Anblick von Klerks Leiche ist sie zusammengebrochen. Dabei hat sie ihn nur kurz gesehen, als man sie auf der Trage zum Krankenwagen brachte. Ich sag Ihnen, die Frau war völlig aufgelöst. Wenn sie das hätte spielen wollen, müsste sie mehrfache Oscarpreisträgerin sein. Die andere Sache ist die: Jeder weiß, dass sie Klerk heiraten wollte. Als seine Frau würde sie bei seinem Tod sein ganzes Geld erben. Wenn sie die Drahtzieherin ist, warum hat sie dann nicht bis nach der Hochzeit gewartet?«
»Ja, richtig ... ich glaube auch nicht, dass Miss Latrelle ihn hat umbringen lassen«, pflichtete Carver bei. »Sie liebte den alten Knaben, obwohl sie sich über ihn keine Illusionen machte. Und noch etwas: Sie war sicher, dass etwas Schlimmes passieren würde. Das hat sie mir gesagt, aber ich habe sie nicht ernst genommen. Ich wünschte, ich hätte es getan. Aber selbst wenn, sie hat nicht angenommen, dass es jemand auf Klerk abgesehen hatte.«
Carver seufzte, nachdem er das alles überdacht hatte. »Gut. Gehen wir und sprechen mit der trauernden Geliebten.«
79
Brianna Latrelle sah mitgenommen aus. Sie war sichtlich erschöpft, körperlich und seelisch. Sie war ungeschminkt, hatte die Haare zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, und statt der eleganten Kleider trug sie eine abgewetzte Jeans und eine schlichte Seidenbluse. Damit sah sie allerdings menschlicher und viel verletzlicher aus, in Carvers Augen unendlich attraktiver, als die puppenhafte Schönheit, die sie während des Wochenendes in Suffolk präsentiert hatte.
Er wollte gerade mit einer der üblichen Floskeln kondolieren, aber sie kam ihm zuvor.
»Ich hab’s Ihnen gesagt. Ich habe Ihnen gesagt, dass etwas nicht stimmt.«
»Ich weiß ... Wen vermuten Sie dahinter?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht waren Sie es. Ich habe den Eindruck, Sie brächten so etwas zu Stande.«
»Ich war auf der anderen Seite der Welt. Ich bin erst heute Morgen um Viertel nach sieben in Jo’burg gelandet. Aber wenn Sie an die anderen denken, die ebenfalls in Campden Hall waren – Zalika war bei mir, und Patrick Tshonga hat alle Hände voll zu tun, um sein Leben zu retten.«
»Patrick Tshonga«, warf Parkes ein, »was zum Teufel meinen Sie denn damit, Carver? Und Moses Mabeki war der Erste, den Sie erwähnten, als Sie hier ankamen. Was hat das zu bedeuten?«
»Er muss hinter diesem Überfall stecken«, sagte Carver. »Sehen Sie, Klerk und Tshonga haben sich diesen Monat in England getroffen, um eine unblutige Machtübernahme in Malemba zu planen – den Staatsstreich, der gestern so spektakulär fehlgeschlagen ist. Die Abmachung sah so aus, dass Klerk Tshonga zur Macht verhelfen und dafür umfangreiche Schürfrechte
Weitere Kostenlose Bücher