Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen
Mond.«
»Irgendwie bin ich das auch«, sagte er und klang plötzlich ganz entspannt. »Zwar ist der Moment noch nicht ganz gekommen, aber ich treffe schon mal die Vorbereitungen für den Start.«
»Wie wird unser Leben auf dem Mond denn sein?«, fragte ich. Inzwischen hatte ich mich an dieses Thema und diese Art Gespräch gewöhnt. »Ich meine, wenn wirvon der Erde fliehen müssen und entdecken, dass wir auf dem Mond unsterblich sind und das alles.«
»Oh, als Erstes werden ein paar technische Probleme zu lösen sein. Aber nichts, was unmöglich wäre.«
»Du meinst auf der Fahrt?«
»Nein, das ist alles geklärt, dafür reicht die Technik aus. Das Problem ist der Regolith.«
»Regolith? Was zum Teufel ist das nun schon wieder?«
»Das ist der Mondstaub, der durch Meteoriteneinschläge entsteht. Ganz feine, scharfkantige Teilchen, die überall eindringen. Dieser Regolith frisst den Astronauten buchstäblich ihre Instrumente auf. Darum ist bisher niemand auf die Idee gekommen, auf dem Mond Hotels zu bauen.«
»Wegen des Regolith ...«
»Ja, er würde alles zerstören, was wir dort aufbauen. Er ist wie Sandpapier. Was die Astronauten gerettet hat, waren ihre Asbestanzüge. Asbest ist ein wahrer Wunderstoff.«
»Vielleicht könnte man den auch beim Bau der Hotels verwenden«, schlug ich vor.
»Möglicherweise, aber dann ist da immer noch das Problem mit dem Wasser. Zwar wird viel spekuliert, aber bisher hat noch niemand beweisen können, dass es auf dem Mond tatsächlich Eis gibt. Wollte man das Wasser von der Erde heranschaffen, müsste man den Liter Wasser zum Preis von Champagner verkaufen. Natürlich könnte man riesige Wasserleitungen von der Erde zum Mond verlegen, aber dann wäre er kein Satellit mehr.«
»Wie ich sehe, hast du dir schon über alles Gedanken gemacht.«
»Es gibt auch noch andere Nachteile. Zum Beispiel das Temperaturgefälle. Auf dem Mond hat man mittags über hundert Grad Hitze und nachts zweihundert Grad unter Null. All das müssen wir berücksichtigen.«
»Und wenn wir zum Mars fahren würden?«, fragte ich aufs Geratewohl.
»Kommt gar nicht infrage, der Mars ist die reinste Hölle. Da sind die Temperaturschwankungen noch sehr viel extremer. Von den giftigen Gasen in der Atmosphäre ganz abgesehen.«
Plötzlich bemerkte ich, dass sich der Kellner mit verschränkten Armen vor mir aufgebaut hatte.
»So langsam reicht es aber! Unser Telefon hier ist nämlich eigentlich für dringende Nachrichten gedacht.«
HIMMEL MIT SCHNURRBART
Mir blieb eine Viertelstunde, um eine Strecke von kaum hundert Metern zurückzulegen, also ging ich den Weg zum Plattenladen fast in Zeitlupe.
Um mich herum nahm ich jede Kleinigkeit, die einem sonst kaum auffällt, wahr: den Geruch kochender Pasta, eine Pfütze in Form eines Fisches, das Muttermal auf der Stirn eines Babys, Blätterrauschen in der Ferne ... Ob einem die Liebe auch die Sinne schärft?
Vorsichtig überquerte ich die Straße und schlenderte weiter bis zur Carrer Tallers, dem Paradies für Plattensammler und Freunde des neuesten Chic. Ich blieb vor jedem Schaufenster stehen, um Zeit zu schinden, und spürte ein anhaltendes Kribbeln im Bauch. Als ich beim Laden ankam, war es erst drei Minuten vor zwei. Trotzdem ging ich hinein.
Gabriela war leise in ein Gespräch mit einem dicken Mann vertieft, der ihr einen Katalog zeigte. Ich stellte mich etwa einen Meter hinter ihn, unterbrach die beiden jedoch nicht. Außer uns war niemand mehr im Laden.
Vielleicht hätte ich besser vor der Tür auf sie warten sollen – vielleicht machte sie auch der Vertreter nervös, jedenfalls sah Gabriela im Gespräch kurz zu mirhoch und sagte: »Geh doch schon mal vor. Ich komme sofort.«
»Klar, wo wollen wir uns denn treffen?«
»Kennst du das Kasparo ?«
»Das ist doch das an der Ecke, oder? Okay, bis gleich.«
Ohne weitere Erklärungen wandte sie sich wieder dem Katalog und dem Dicken zu. Also drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zum Kasparo , in dem man draußen an einem kleinen Platz unter Arkaden sitzt.
Eine Zeit lang war ich oft dort hingegangen und dann plötzlich gar nicht mehr. Solche Dinge geschehen, ohne dass man weiß, warum. Vielleicht hatte ich den Laden einfach übergehabt.
Ich hatte das Café zehn Jahre nicht betreten, doch das Publikum schien mir ziemlich unverändert: durch ein allzu heftiges Leben vorzeitig gealterte junge Menschen, ein paar Althippies und der ein oder andere verirrte Tourist. Es war nicht gerade warm,
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