Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
denken.«
»Ausgezeichnet. Wie ich sehe, hat deine Mutter dir zumindest das Zuhören beigebracht.«
Pater Lucius griff hinter sich und drückte eine kleine Tafel an der Wand zur Seite. Dahinter kam ein Fach zum Vorschein. Er holte ein dickes Buch und einige Blatt Papier heraus, außerdem Feder und Tinte, legte alles auf den Tisch und der Unterricht konnte beginnen.
»Verglichen mit anderen Sprachen kann man Japanisch relativ leicht sprechen. Es gibt keine Artikel vor den Substantiven. Das Wort hon kann Buch, das Buch, ein Buch, Bücher oder die Bücher bedeuten.«
Vielleicht wäre eine jesuitische Predigt erträglicher gewesen als Japanisch zu lernen, dachte Jack.
»Verben werden nicht konjugiert und haben keine Infinitive …« Pater Lucius brach ab. »Warum schreibst du nicht mit? Kannst du nicht schreiben?«
Widerwillig nahm Jack die Feder, tauchte sie in die Tinte ein und begann zu schreiben.
Als Taka-san ihn wieder abholte, schwirrte Jack der Kopf vor unzähligen Verben und Eigenheiten der japanischen Sprache. Doch er wollte vor Pater Lucius nicht klein beigeben und begrüßte den jungen Samurai ausführlich in stockendem Japanisch.
Taka-san sah ihn verwirrt an und lächelte dann, als er das Japanisch hinter Jacks dickem Akzent erkannte.
Sie kehrten zu Hirokos Haus zurück und gleich nach ihrer Rückkehr wurde Jack zu Masamoto gerufen.
Masamoto saß auf dem erhöhten Platz und beherrschte das Zimmer wie ein Götterbild einen heiligen Schrein. Neben ihm hielt einer der bewaffneten Samurai Wache. Auch der schwarzhaarige Junge war anwesend. Er saß stumm vor sich hin brütend neben Masamoto.
Zu Jacks Kummer trat durch die andere Schiebetür Pater Lucius ein und kniete sich Jack gegenüber auf den Boden. Doch man hatte ihn nur zum Dolmetschen gerufen.
»Wie war der Unterricht bei Pater Lucius?«, ließ Masamoto den Priester fragen.
»Ii desu yo, arigat ō gozaimasu«, antwortete Jack. »Sehr gut, vielen Dank.« Hoffentlich hatte er die Worte richtig ausgesprochen.
Masamoto nickte anerkennend.
»Du lernst schnell, Jack, das ist gut«, fuhr Masamoto fort und Pater Lucius übersetzte schlecht gelaunt. »Ich muss nach Kyoto zurückkehren und mich um meine Schule dort kümmern. Du bleibst hier in Toba, bis dein Arm ganz geheilt ist. Meine Schwester Hiroko wird dich versorgen und Pater Lucius wird dich weiter unterrichten. Bei meiner Rückkehr sprichst du hoffentlich fließend Japanisch.«
»Hai, Masamoto-sama«, sagte Jack, als Pater Lucius fertig übersetzt hatte.
»Ich beabsichtige vor Wintereinbruch nach Toba zurückzukehren. Jetzt will ich dir meinen zweiten Sohn Yamato vorstellen. Er bleibt hier bei dir. Jeder Junge braucht einen Freund – er wird dein Freund sein. Ihr seid jetzt Brüder.«
Yamato verbeugte sich kurz und sah Jack dabei herausfordernd an. Seine Botschaft war klar. Jack würde nie ein gleichwertiger Ersatz für seinen Bruder Tenno sein. Yamato dachte auch nicht im Entferntesten daran, Jacks Freund zu werden.
16
Das Schwert aus Holz
An dem Kirschbaum in der Mitte des Gartens las Jack den Wechsel der Jahreszeiten ab. Bei seiner Ankunft war das Laub üppig grün gewesen und in seinem kühlen Schatten hatte er Zuflucht vor der heißen Sommersonne gefunden. Jetzt, ein Vierteljahr später – Jacks Arm war inzwischen vollkommen geheilt –, hatten die Blätter sich goldbraun verfärbt und begannen abzufallen.
Der Baum war für Jack ein willkommener Ort des Rückzugs geworden. Stundenlang hatte er in seinem Schatten gesessen und im Buch seines Vaters gelesen. Er hatte die sorgfältig gezeichneten Sternbilder betrachtet, die Karten verschiedener Küsten studiert und die geheimen Zeichen auf jeder Seite zu entziffern versucht, die die Geheimnisse der Meere vor feindlichen Augen schützten. Eines Tages, hatte sein Vater versprochen, würde er ihn in die Bedeutung dieser Chiffren einweihen. Doch jetzt war sein Vater tot und Jack musste die Zeichen selbst entschlüsseln. Mit jeder Lösung, die er fand, fühlte er sich seinem Vater näher.
Der Baum war allerdings auch eine symbolische Brücke, über die er langsam in die japanische Kultur eindrang. Denn unter ihm traf er sich meist nachmittags mit Akiko, um das Sprechen zu üben.
Akiko hatte drei Tage nach Masamotos Abreise gehört, wie er sich mit der Aussprache eines Satzes abmühte, den Pater Lucius ihm zum Auswendiglernen aufgegeben hatte. Sie hatte ihm ihre Hilfe angeboten.
»Arigat ō , Akiko«, hatte er gesagt und den Satz mehrere
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