Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
ihren Körper herrschen.«
Jack schwankte ein wenig, schwindlig vor Erschöpfung. Zwar hatte er zu essen und zu trinken bekommen und ein wenig ausgeruht, aber man hatte ihn schon bald wieder geweckt und zusammen mit den anderen Prüflingen zum Haupttempel gebracht.
»Die körperliche Herausforderung hat euch gezeigt, dass der Geist stärker ist als der Körper. Der Körper macht weiter, solange der Geist stark ist.«
Der Priester betrachtete sie einzeln mit seinem unergründlichen Blick, wie um sich zu vergewissern, dass sie diese wichtige Lebensweisheit verstanden hatten.
»Wer das erst begriffen hat, kann alles erreichen. Das Unmögliche wird möglich, wenn nur der Geist daran glaubt. Diese Wahrheit liegt der zweiten Prüfung zugrunde. Aber davor möchte Masamoto-sama noch zu euch sprechen.«
Masamoto stand auf und trat stolz vor seine Schüler.
»Es ist eine Ehre für mich, so starke Samurai an meiner Schule zu haben«, rief er. »Der Geist der Niten Ichi Ry ū ist in euch allen lebendig.« Er fasste Jack mit der Schwerthand an der Schulter und Jack spürte die gewaltige Kraft des großen Kriegers. »Doch heute lebte dieser Geist am stärksten in Jack.«
Alle Augen wandten sich Jack zu.
Schüchtern blickte Jack in das vernarbte Gesicht Masamotos. Masamoto erwiderte seinen Blick mit väterlichem Stolz.
»Jack-kun hat den wahren Geist des Bushido gezeigt. Er hat seine Chancen für einen Mitsamurai geopfert, der seine Hilfe brauchte, und damit die Tugend der Treue gezeigt. Indem er ihn vom Berg herunterschaffte, hat er Mut bewiesen. Er hat nicht nur sich selbst besiegt, sondern meiner Meinung nach auch den Berg, dem er Yori-kuns Leben entrissen hat.«
Die Schüler verbeugten sich in Anerkennung von Jacks Leistung.
Jack sah sich verlegen um. Er stand nicht gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Akiko lächelte ihn glücklich an. Tadashi, noch sichtlich erschöpft von der ersten Prüfung, brachte nur ein kurzes anerkennendes Nicken zustande. Yori kniete nicht unter den Schülern. Er erholte sich noch von seinen Verletzungen und wurde von einem Mönch versorgt, der für sein medizinisches Wissen weithin bekannt war. Man hatte Jack gesagt, dass Yori Zeit brauchen würde zu genesen, dass seine Aussichten aber gut standen und er auf die Kräuterarznei des Mönchs gut ansprach.
»Allerdings können wir keine Zugeständnisse an die Erschöpfung des Schülers machen«, warf der Hohepriester mit einer respektvollen Verbeugung vor Masamoto ein. »Der Weg eines Tendai-Mönches endet nie, die Prüfung des Geistes muss deshalb unverzüglich beginnen.«
41
Triumph des Geistes
Donnernd stürzte der Wasserfall wie ein lang gezogener weißer Vorhang vom zweithöchsten Gipfel des Iga-Gebirges hinunter. Er hatte über die Jahrhunderte eine schmale, tiefe Klamm in den Berg gegraben. Sie sah aus, als hätte ein Gott mit einer gewaltigen Axt den Felsen gespalten.
Mönche, Schüler und Lehrer standen in einem großen Halbkreis um das brodelnde Becken am Fuß des Wasserfalls. Sie hielten sich an den Händen und beteten zu den Berggeistern und Wasserwesen. Der Hohepriester sprach einen buddhistischen Segen und verstreute als Teil des Reinigungsrituals Salz.
Jack, der ein frisches weißes Gewand trug, sah ihm mit den anderen Teilnehmern dabei zu. Die bevorstehende zweite Aufgabe hatte ihnen die Sprache verschlagen. Sie sollten für die Zeit, in der ein Räucherstäbchen herunterbrannte, auf einem großen, flachen Felsen unter dem Wasserfall ausharren und ihren Körper nur mit der Kraft ihres Geistes bezwingen. Dabei drohte ihnen ganz konkret die Gefahr, in dem eisigen Wasser zu erfrieren.
Die Gebete endeten und der Priester bedeutete den fünf jungen Samurai, sich nebeneinander auf den Sims hinter dem Wasserfall zu stellen.
Jack machte den Anfang. Er ging mit dem Rücken an den Felsen gedrückt und gab acht, dass er auf dem glitschigen Stein nicht ausrutschte. Gischt hüllte ihn ein und die dünne Kutte klebte schon bald an seinem Körper. Die kalte, feuchte Luft belebte ihn, doch die Aussicht, gleich unter das eisige Wasser des Wasserfalls treten zu müssen, erfüllte ihn mit Schrecken. Auf der anderen Seite des schäumenden Schleiers sah er undeutlich und verzerrt die Köpfe und Gestalten der im Halbkreis versammelten Zuschauer. Ihm war, als hätten sich die Pforten der Hölle vor ihm geöffnet.
Die anderen folgten dicht hinter ihm und starrten ähnlich verängstigt auf das herabstürzende Wasser. Der Hohepriester
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