Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
bedeutete ihnen mit einer Armbewegung, dass die Prüfung nun begann. Die fünf Prüflinge verbeugten sich alle gleichzeitig und traten von dem Sims herunter und in die tosenden Wassermassen.
Die betäubende Kälte ging Jack augenblicklich durch Mark und Bein und er wäre fast ohnmächtig geworden.
Das Wasser prasselte wie ein Hagelschauer auf seinen Kopf und er musste gegen den Drang ankämpfen, sofort wieder zurückzutreten. Er stemmte sich dem Wasser entgegen und seine Muskeln verknoteten sich vor Anspannung.
Er konnte diesem Trommelfeuer unmöglich für die Dauer eines Räucherstäbchens standhalten.
In Panik murmelte er das Mantra, das er zur Abwehr von Kälte gelernt hatte, doch es half ihm nicht. Er war von der ersten Prüfung noch zu geschwächt. Sein Kopf war auf einmal wie leer gefegt, er atmete in Panik immer schneller und ein unkontrolliertes Zittern erfasste seinen Körper. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass Harumi der Gewalt des Wassers nicht standhielt und ging. Auch Jack fühlte seine Widerstandskraft bröckeln.
Verzweifelt harrte er aus. Wenigstens Kazuki wollte er besiegen. Doch vergeblich, sein Körper war der Strapaze nicht mehr gewachsen. Er musste gehen.
Seine Füße verweigerten jedoch den Dienst.
Etwas tief in seinem Innern trotzte dem Wasserfall, trotzte seinem eigenen Willen.
Das Unmögliche wird möglich, wenn nur der Geist daran glaubt.
Jack raffte sich noch einmal auf und versuchte seine Gedanken von der betäubenden Kälte abzulenken. Er beschwor wieder das Mantra, ohne zu wissen, ob ein buddhistischer Sprechgesang einem christlichen Herzen helfen konnte. Trotzdem wiederholte er es immer schneller, bis es zu einer endlosen Wortschleife wurde.
Mein Geist ist grenzenlos.
Ein Horizont, der nicht endet,
eine Sonne, die nicht untergeht,
ein Himmel, der nicht aufhört …
Erstaunt stellte er fest, wie die Konzentration auf das Mantra seinen Körper veränderte. Mit jeder Wiederholung wurden seine Muskeln weicher und geschmeidiger, sodass der Wasserfall nicht länger wehtat. Einen kurzen Moment lang erschien ihm das Trommeln des Wassers so sanft wie das Plätschern einer Quelle im Gebirge.
Dann spürte er überhaupt nichts mehr.
Das Seltsame dabei war, dass ihm auch alles egal war. Nichts kümmerte ihn mehr. Das buddhistische Mantra hatte ihn in einen Zustand der Meditation versetzt. Unabhängig von seinem eigenen Glauben erlebte er das seltsame Gefühl, dass sein Bewusstsein sich seiner Umgebung öffnete.
Er verlor jedes Zeitempfinden.
War das Räucherstäbchen schon heruntergebrannt?
Tadashi verließ den Wasserfall und stieß dabei mit ihm zusammen. Jack schreckte aus seiner Trance auf. Sofort spürte er die schreckliche Kälte wieder. Er wollte den Zustand der Meditation erneut herstellen, musste aber aufgeben.
Er trat aus dem Wasserfall heraus. »Ha-ha-habe ich es geschafft?«, fragte er zähneklappernd.
»Natürlich, du Eiszapfen!«, rief Yamato mit einem ungläubigen Lachen und reichte ihm trockene Kleider. »Du warst eine Ewigkeit drunter. Der Mönch hat schon ein zweites Räucherstäbchen angezündet.«
»A-A-Akiko?«, stotterte Jack.
»Steht noch da, zusammen mit Kazuki.«
Akiko und Kazuki schimmerten hinter dem Wasservorhang wie Gespenster. Jack fand sich damit ab, dass Kazuki ihn wieder einmal besiegt hatte. Kazuki hatte deshalb ja noch nicht gewonnen.
Los, Akiko, feuerte Jack seine Freundin stumm an, du hältst länger aus als Kazuki!
Akiko hatte Schwierigkeiten, auf den glitschigen Steinen das Gleichgewicht zu halten. Sie begann zu rutschen und Jack schlug das Herz bis zum Hals. Wie durch ein Wunder konnte Akiko trotz des herabstürzenden Wassers stehen bleiben.
Kazuki brach ohne jede Vorwarnung zusammen.
Zwei Mönche eilten zu ihm, zogen ihn aus dem Wasser und rieben ihn mit einem dicken Tuch ab. Kazuki kam zu sich und stand unsicher auf. Die Schüler belohnten sein Durchhaltevermögen mit Applaus. Auch Jack klatschte, allerdings mehr, um Akiko anzufeuern. Sie harrte immer noch an ihrem Platz aus, eins mit dem Wasserfall. Sie hatte die Hände gefaltet und ihre Lippen murmelten ununterbrochen das Mantra.
Wie lange sie wohl noch durchhält?, dachte Jack.
Eigentlich hätte sie schon längst tot sein müssen. Bereits das zweite Räucherstäbchen war heruntergebrannt und ein drittes wurde gerade angezündet. Akiko hatte schon doppelt so lange ausgehalten wie nötig.
Das dritte Stäbchen näherte sich seinem Ende.
»Holt sie heraus!«, befahl der
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