Samurai 3: Der Weg des Drachen
überzeugt, dass so ein kostbares Buch nicht spurlos verschwindet. Sobald ich etwas erfahre, gebe ich dir Bescheid.«
»Danke.« Jack verbeugte sich, um seine Enttäuschung zu verbergen.
»Bis dahin musst du wachsam bleiben. Wenn Drachenauge das Logbuch nicht lesen kann, kommt er bestimmt wieder. Sei darauf gefasst! Wenn wir nächsten Monat zur Eröffnung der Halle des Falken nach Kyoto zurückkehren, bekommst du deshalb auch einen neuen Lehrer. Soweit ich weiß, ist er ein ziemlicher Tyrann.«
»Wer ist es?«, fragte Jack. Hoffentlich behandelte der neue Lehrer ihn nicht so schlecht wie Sensei Kyuzo, sein Lehrer im Kampf ohne Waffen.
»Ich!« Masamoto lachte. »Ich werde dich endlich in der Technik der beiden Himmel unterweisen.«
9
Die Halle des Falken
»Samuraischüler!«, rief Masamoto donnernd über den weiten, gekiesten Hof der Niten Ichi Ryu.
Unter den Schülern, die sich erwartungsvoll zur Eröffnungszeremonie der neuen Halle des Falken versammelt hatten, kehrte Ruhe ein.
Masamoto stand zusammen mit seinen Sensei, Daimyo Takatomi und einem Shintopriester auf der Veranda des prächtigen hölzernen Gebäudes. Die Halle des Falken war zwar nur halb so groß wie der Butokuden, doch ergänzten die beiden Hallen sich wie die beiden Schwerter eines Samurai. Ausschließlich aus dunklem Zypressenholz erbaut, war die Halle acht Säulen breit und sechs Säulen tief und hatte ein großes, geschwungenes Dach mit gelbroten Ziegeln. Die Traufe war mit halbrunden Tonziegeln geschmückt, die ein Kranichwappen trugen.
»Die Anwesenheit von Daimyo Takatomi ist für uns eine große Ehre«, fuhr Masamoto fort und verbeugte sich tief vor seinem Herrn. »Denn er hat der Schule die neue Übungshalle großzügig gestiftet.«
Die Schüler klatschten laut und ihr Daimyo trat vor.
Takatomi trug seinen festlichsten, in Weiß und Silber mit dem Familienwappen des Kranichs bestickten Kimono. Mit der Rechten strich er sich über sein gestutztes Oberlippenbärtchen, die Linke ruhte nachlässig auf seinem Schwert und dem wohlgerundeten Bauch. Jack war schon vor der Eröffnungszeremonie mit ihm zusammengetroffen, um sich in aller Form dafür zu entschuldigen, dass er den Portolan in der Burg versteckt hatte. Die Entschuldigung war angenommen worden, doch das bisherige Wohlwollen des Daimyo war verschwunden. Jack wusste, dass er sein Vertrauen verscherzt hatte und nicht mehr in die Burg Nijo eingeladen werden würde.
»In Anerkennung der großen Dienste, die Masamoto-sama und seine Schule mir über die Jahre erwiesen haben, bin ich stolz darauf, die Halle des Falken eröffnen zu können. Es ist meine Hoffnung, dass sie in dunklen Zeiten ein Leuchtfeuer sein wird.«
Mit ungewohnt ernstem Gesicht nickte der Daimyo dem Shintopriester zu. Er sollte mit der Zeremonie beginnen.
Der Priester mit dem traditionellen weißen Gewand und dem kegelförmigen schwarzen Hut schritt zum Haupteingang. Dort hatte man auf einem kleinen, durch ein dünnes Seil und vier Bambusstöcke abgesteckten Viereck einen provisorischen Altar errichtet. In einem hölzernen Stufenschrein steckte ein grünblättriger, mit weißen Papierstreifen geschmückter Zweig eines sakaki- Strauches.
Der Priester stimmte einen Sprechgesang an und entzündete eine Weihrauchgabe. Jack sah interessiert zu.
»Hat die Zeremonie angefangen?«, flüsterte eine leise Stimme rechts neben Jack.
Jack blickte auf seinen Freund Yori hinunter, einen klein gewachsenen, schmächtigen Jungen, der dafür aber ein umso größeres Herz besaß. Yori konnte nichts sehen, weil die größeren Schüler ihm die Sicht versperrten.
»Ich glaube, ja«, antwortete Jack. »Der Priester verstreut gerade Salz und zeigt mit einem flachen Holzstock auf den Schrein.«
»Das ist sein shaku«, erklärte Yori eifrig. »Er reinigt das neue Gebäude. Dann bringt er den Göttern ein Opfer und lädt die kami ein zu kommen.«
»Wozu?«, fragte Jack.
»Wir hoffen, dass die kami den Schrein der Halle mit ihrer Kraft segnen und dem neuen Gebäude Glück bringen werden.«
Der Priester winkte Daimyo Takatomi zu sich und überreichte ihm einen kleinen immergrünen Zweig. Der Daimyo wandte sich dem Schrein zu und legte den Zweig der heiligen Pflanze auf dessen unterste Ablage. Dann verbeugte er sich zweimal tief, wie es Brauch war, klatschte zweimal in die Hände und verbeugte sich noch einmal.
Im Anschluss an das Opfer spritzte der Priester Wasser an den Eingang der Halle und lud so die kami ein, den Altar zu
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