Samurai 3: Der Weg des Drachen
verlassen. Ein kurzer Moment der Stille folgte, dann ging die Tür der Halle auf.
Daimyo Takatomi und Masamoto schritten voraus, die Sensei und die Schüler folgten.
»Was meinte unser Daimyo, als er sagte, die Halle sollte ein Leuchtfeuer in dunklen Zeiten sein?«, fragte Kiku. Sie war eine gute Freundin Akikos, ein zierliches Mädchen mit dunkelbraunen Haaren und haselnussbraunen Augen.
»Ich fand die Bemerkung auch ziemlich rätselhaft«, meinte Akiko.
Sie zogen die Sandalen aus und betraten die Halle, um sie von innen zu besichtigen.
Die Schüler versammelten sich am Rand des Übungsbereichs, einer glänzend polierten Holzfläche, die abgesehen von einem Stapel kleiner Tische leer war. An der rückwärtigen Wand stand leicht erhöht ein Schrein, vor dem die Schüler sich zu Beginn des Trainings verbeugen konnten. Er schien das einzige schmückende Element der Halle zu sein.
Bis sie die Köpfe hoben. An der Decke prangte das Gemälde eines gewaltigen Falken, der mit weit ausgebreiteten Schwingen und ausgestreckten Klauen im Sturzflug auf seine Beute niederstieß. Jeder Pinselstrich drückte die Kraft und Geschwindigkeit des Vogels aus. Bestimmt sollten die Schüler der Falke sein, dachte Jack. Sonst waren sie seine Beute.
»Vielleicht glaubt der Daimyo, dass es Krieg geben wird«, sagte er leise.
Im Jahr zuvor hatte er seinen Rivalen an der Schule, Kazuki, davon sprechen hören, dass Kamakura, der Daimyo der Provinz Edo, Krieg gegen alle Christen in Japan führen wollte. Inzwischen hörte man immer häufiger von verfolgten Ausländern und wachsenden Vorurteilen ihnen gegenüber. Von einem offenen Krieg konnte man allerdings noch nicht sprechen.
»Vielleicht hat Jack Recht«, überlegte Yamato. »Wir kennen die Daimyos. Sie kämpfen ständig gegeneinander um mehr Land.«
»Aber der Rat der Regenten sorgt inzwischen seit fast zehn Jahren für Frieden«, entgegnete Kiku. »Seit der Schlacht am Nagasenko gab es keinen Krieg mehr. Warum sollte es jetzt einen geben?«
»Vielleicht meinte Daimyo Takatomi nur die Kampfkünste, die wir in dieser Halle lernen«, meinte Yori. Er hatte die Augen aufgerissen. Das Gespräch über den Krieg schien ihn zu ängstigen.
»Was genau lernen wir denn hier?«, fragte Saburo, ein fröhlicher Junge mit einem runden Gesicht und buschigen Augenbrauen. »Ich sehe nirgendwo Waffen. Und wer wird uns unterrichten?«
»Ich glaube, das ist unser neuer Sensei«, sagte Akiko mit einem Nicken auf eine hochgewachsene, magere Frau, die sich gerade mit Masamoto unterhielt.
Sie trug einen schwarzen Kimono mit einem reinweißen Obi und hatte graue Haut, farblose Lippen und dunkelbraune Augen. Ihr Blick war freundlich, aber von tiefer Trauer erfüllt. Das Auffälligste an ihrer Erscheinung war allerdings ihr hüftlanges schneeweißes Haar.
»Wer ist das?«, fragte Saburo.
»Nakamura Oiko«, flüsterte Kiku ehrfürchtig. »Eine große Kriegerin, die nach dem Tod ihres Mannes in der Schlacht am Nakasendo berühmt wurde. Sie bekam über Nacht weiße Haare vor Kummer, doch sie übernahm seine Soldaten und führte sie zum Sieg. Sie ist berühmt für ihr Geschick im Umgang mit der naginata.«
»Naginata?«, fragte Jack.
»Eine Schwertlanze, also ein langer hölzerner Schaft mit einer gekrümmten Klinge am Ende«, erklärte Yamato.
»Eine Waffe für Frauen«, fügte Saburo verächtlich hinzu.
»Nicht, wenn du an ihrem falschen Ende stehst«, gab Akiko wütend zurück. »Frauen kämpfen nur deshalb gern mit der naginata, weil sie eine größere Reichweite hat als ein Schwert und wir damit auch einen Gegner problemlos besiegen können, der uns körperlich vielleicht überlegen wäre.«
Sie starrte vielsagend auf Saburos wohlgenährten Bauch. Saburo hielt instinktiv schützend die Hand darüber und dachte mit offenem Mund über eine geeignete Antwort nach.
»Und wer ist der Junge neben Sensei Nakamura?«, fragte Yori rasch, um zu verhindern, dass das Gespräch in einen Streit ausartete.
Sie blickten zu dem gut aussehenden Jungen hinüber, der die schwarzen Haare zu einem Knoten zusammengebunden hatte. Er wirkte ein paar Jahre älter als sie, war aber schmächtig gebaut und hatte die weichen, kultivierten Gesichtszüge eines Adligen. Ruhig und sichtlich im Einklang mit seiner neuen Umgebung stand er neben Sensei Nakamura.
»Das ist ihr Sohn Takuan«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
Jack drehte sich um. Vor ihm stand Emi, Daimyo Takatomis vornehme Tochter, ein schlankes Mädchen mit langen,
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