Samurai 3: Der Weg des Drachen
nur noch, dass es nichts Schönes gewesen war. Verstohlen warf er Akiko einen fragenden Blick zu, doch sie verharrte in gebeugter Stellung mit dem Gesicht am Boden. Dasselbe galt für Yamato.
»Seppuku ist ein Selbstmordritual«, sagte Masamoto, der Jacks Verwirrung bemerkt hatte. »Wenn ein Samurai, der besiegt oder entehrt ist, sich selbst das Leben nimmt, zeigt er damit im Sinn des Bushido Mut. Er macht seine Verfehlungen wieder gut und sein Ruf bleibt unbefleckt.«
Jack nickte. Indem er Masamoto nichts vom Portolan seines Vaters erzählt hatte, hatte er gegen den Verhaltenskodex des Bushido verstoßen, gegen die sieben Tugenden, nach denen ein Samurai lebte: Gerechtigkeit, Mut, Güte, Höflichkeit, Wahrhaftigkeit, Ehre und Treue. Seine Unehrlichkeit hatte ihn das Vertrauen seines Vormunds gekostet und noch viel mehr.
Er hatte auch gegen die wichtigste Pflicht des Samurai verstoßen, nämlich seinem Herrn zu dienen. Weil er das Buch in der Burg von Daimyo Takatomi versteckt hatte, hatte er das Leben des Daimyo höchstpersönlich in Gefahr gebracht. Er hatte den Mann gefährdet, mit dessen Schutz Masamoto beauftragt war.
Ohne Vorwarnung zog Masamoto sein Kurzschwert. Die Klinge blitzte gefährlich auf, bereit, ihr Werk zu tun.
»Seppuku ist eine besonders schmerzhafte, qualvolle Art des Todes. Zuerst schlitzt du dir selbst den Bauch au f …«
Jack begann zu zittern. Pater Lucius’ Worte fielen ihm ein. Der inzwischen verstorbene Jesuitenpriester, der ihm Japanisch beigebracht hatte, hatte ihn gewarnt: »Widersetze dich einem Samurai und er macht Hackfleisch aus dir.«
Jack war Masamoto untreu gewesen und jetzt musste er den Preis dafür zahlen.
Die Ausbildung, die er so mühsam absolviert hatte, alles, was er erreicht hatte, war umsonst gewesen. Er würde seine Schwester nie wiedersehen, sondern in Japan sterben.
» … und dann, wenn du Todesqualen leidest, wird dir der Kopf abgeschlagen!«
»Ich bin allein an allem schuld!«, sprudelte es aus ihm heraus. Ihm war plötzlich eingefallen, dass seine Freunde womöglich dasselbe Schicksal erwartete wie ihn. Mussten auch sie seppuku begehen? »Das Logbuch zu verstecken war allein meine Idee. Bitte bestraft die anderen nicht für mein Vergehen.«
»Ich bewundere die Treue, mit der du zu deinen Freunden stehst, Jack-kun, aber meine Entscheidung ist schon gefallen.«
»Ich kann von hier weggehen«, flehte Jack und verbeugte sich noch tiefer, bis er ausgestreckt auf dem Boden lag. »Dann falle ich Euch nicht mehr zur Last.«
»Das kannst du nicht«, widersprach Masamoto sachlich. »Du weißt selbst, dass es für dich zu gefährlich ist, allein zu reisen. Außerdem will Dokugan Ryu dich womöglich immer noch töten oder entführen. Aber noch wichtiger ist, dass ich als dein Vormund bis zu deiner Volljährigkeit für dich verantwortlich bin. Du kannst nicht gehen, denn du wirst zur Schule zurückkehren.«
»W-was?«, stotterte Jack und blickte zu Masamoto auf.
Sein Vormund grinste ihn doch tatsächlich an. Das Lächeln zerknitterte seine vernarbte Gesichtshälfte.
»Ich habe mir nur einen kleinen Scherz erlaubt, Jack-kun«, sagte Masamoto. Er lachte kehlig und steckte sein Schwert wieder ein. »Du brauchst nicht seppuku zu begehen und ich schlage dir auch nicht den Kopf ab. Dazu ist deine Verfehlung zu gering.«
»Aber ich dachte, ich hätte gegen den Ehrenkodex des Bushido verstoßen«, rief Jack, der den makabren Humor seines Vormunds nicht zu schätzen wusste.
»Nein, du hast vieles getan, aber nicht gegen den Bushido verstoßen.«
Jack holte tief Luft und Masamoto setzte sich bequemer hin. Er nahm eine Tasse Grüntee von einem Tischchen und trank genießerisch einen Schluck.
»Sensei Yamada hat sich bei mir für dich verwendet und ich stimme ihm insofern zu, als du deine Entscheidungen, wie fehlgeleitet sie auch sein mögen, mit der größten Rücksicht auf mich getroffen hast. Ihr habt alle drei durch euer Handeln gezeigt, dass ihr unverbrüchlich zueinander steht, und euch im Kampf gegen einen furchterregenden Gegner ehrenvoll geschlagen.«
»Heißt das, dass wir alle wieder auf die Schule gehen dürfen?«, fragte Yamato ängstlich und senkte den Kopf, bis er die Strohmatte berührte.
»Natürlich kehrt ihr dorthin zurück!«, schnaubte Masamoto und bedachte seinen Sohn mit einem ärgerlichen Blick. »Aber ich musste dem Rest der Schule zeigen, dass ich euch angemessen bestrafe. Was ihr getan habt, kann nicht stillschweigend übergangen werden.
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