Samurai 3: Der Weg des Drachen
immer noch mindestens zehn Minuten Fußmarsch entfernt. Sie hatten offenbar den inneren Bereich der Burg betreten, in dem allerdings selbst eine kleine Stadt Platz gehabt hätte. An den Platz schloss sich ein gepflegter Garten mit kleinen Brücken und einem Bach an, der in einen Teich floss. Blühende Kirschbäume spendeten Schatten und auf der anderen Seite befand sich ein kleiner Brunnen. Wasser war also verfügbar. Außerdem hatte Jack auf dem Herweg ein ganzes Wäldchen von Pflaumenbäumen und zahlreiche mit Reis, Salz, Sojabohnen und getrocknetem Fisch gefüllte Lagerhäuser gesehen. Die Burg bot nicht nur Schutz, sie war auch für eine Belagerung gerüstet.
Schließlich kehrte Sensei Hosokawa zurück und ließ sie antreten. Kurz nach ihm erschien eine größere Gruppe schwer bewaffneter Samurai. In ihrer Mitte schritten Daimyo Takatomi, Masamoto, einige weitere Gefolgsleute und ein Junge.
»Niederknien!«, befahl Sensei Hosokawa. Die jungen Samurai knieten hin und senkten die Köpfe.
Daimyo Takatomi trat vor.
»Es ist für mich eine große Ehre, euch Seine Hoheit Hasegawa Satoshi vorzustellen, den rechtmäßigen Thronerben und künftigen Herrscher Japans.«
Der von Gefolgsleuten umringte Junge nickte zustimmend. Jack blickte verstohlen auf. Satoshi schien nicht viel älter zu sein als er selbst, vielleicht sechzehn. Er hatte ein schmales, glattes Gesicht, auf der Oberlippe spross der erste Bartflaum. Die Haare hatte er zu einem Knoten aufgebunden und er war vornehm gekleidet wie ein hoher Würdenträger. Zu seiner Überraschung sah Jack um den Hals des Jungen ein kleines, silbernes Kreuz hängen.
»Ihre Samurai sind in meiner Burg höchst willkommen, Masamoto-sama«, sagte Satoshi mit heller Stimme. »Es treffen täglich Truppen ein, die mir treu ergeben sind. Unsere Armee wird schon bald über hunderttausend Mann stark sein. Mit ihr werden wir den Aufstand Daimyo Kamakuras niederwerfen.«
Mit den vornehmen Bewegungen eines Adligen ging Satoshi an den Reihen der Samurai entlang. Vor Jack blieb er stehen.
»Wer ist das?«, fragte er, überrascht von dem Blondschopf unter den schwarzhaarigen Japanern.
Jack verbeugte sich. »Jack Fletcher, Euch zu Diensten.«
Satoshi lachte aus vollem Herzen. »Unsere Feinde werden eine Heidenangst bekommen. Ein ausländischer Samurai!«
Seine Gefolgsleute stimmten in das Lachen ein. Mit einer Ausnahme. Direkt hinter dem Jungen stand ein hochgewachsener, schlanker Mann europäischer Abstammung mit olivfarbener Haut und glatt zurückgekämmten Haaren. Er fiel Jack erst jetzt auf, weil er dieselben offiziellen Kleider trug wie der Rest des Gefolges. Als der Mann Jack sah, trat ein Funkeln in seine Augen. Im nächsten Augenblick hatte er sich wieder gefasst. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem gequälten Lächeln und er flüsterte Satoshi, der sich bereits zum Gehen gewandt hatte, etwas ins Ohr.
Jack hätte zu gern gehört, was er sagte. Der Mann musste einigen Einfluss auf Satoshi haben, wenn er als Ausländer dessen privatem Gefolge angehörte. Die Anwesenheit eines weiteren Europäers hätte Jack eigentlich beruhigen müssen. Stattdessen hatte er auf einmal ein mulmiges Gefühl in der Magengrube.
Satoshi beendete seine Inspektion, nickte Masamoto zu und ging. Sein Gefolge und die Samuraiwache verschwanden mit ihm. Daimyo Takatomi und Masamoto entfernten sich in ein Gespräch vertieft Richtung Garten. Die Aufsicht über die Schüler führte Sensei Hosokawa.
»Das ist unser Quartier«, rief er und zeigte auf das Gebäude hinter ihnen. »Bringt euer Gepäck hinein, anschließend gehen wir zur Waffenkammer.«
In dem großen, leeren Saal standen keine Betten. Der rückwärtige Teil war durch eine Schiebetür abgetrennt. Jack folgte Yamato und Yori, Akiko steuerte mit den anderen Mädchen auf den Raum hinter der Schiebetür zu. Jack stellte sein Gepäck in eine Ecke. Es bestand aus wenig mehr als dem Daruma, dem Messer des Ninjas, einer Ersatzdecke und einem Ersatzkimono. Beides hatte er im Laden der Schule erwerben können. Seine beiden Schwerter hingen jetzt ständig an seiner Hüfte.
Die Schüler brauchten eine Weile, um sich in der Halle einzurichten. Seit dem Überfall auf die Niten Ichi Ryu war die Stimmung schlecht. Der Schaden, den Kazuki angerichtet hatte, bestand nicht nur in einigen niedergebrannten Gebäuden. Sein Verrat hatte die Schule ins Herz getroffen. Unter den Schülern hatten sich Gruppen gebildet. Die Schüler misstrauten einander und litten
Weitere Kostenlose Bücher