Samurai 3: Der Weg des Drachen
In der schönen Halle der Schmetterlinge hatte er Neujahr gefeiert und das zweifelhafte Vergnügen gehabt, gegrillte Aalleber zu essen. Im Südlichen Zen-Garten hatte er sich erholt und ungestört nachdenken können. Außerdem hatte Sensei Yosa sie dort in der Kunst des Bogenschießens unterrichtet. In der Halle des Buddha hatte Sensei Yamada seine schweren Rätselfragen gestellt und Jack den legendären Schmetterlingstritt vorgeführt. Die ausgebrannte Halle der Löwen schließlich war in den vergangenen drei Jahren sein Zuhause gewesen.
Er erinnerte sich noch an seine Angst am Tag seiner Ankunft in der Schule und wie schrecklich und unbesiegbar ihm die anderen Schüler erschienen waren. Er dachte daran, wie er auf seinem Futon in seiner kleinen Kammer gelegen hatte, allein in einem fremden Land und verfolgt von einem einäugigen Ninja. Wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank hatte er sich gefühlt.
Jetzt zog er mit ähnlichen Gefühlen in den Krieg. Mit dem Unterschied, dass er diesmal wusste, wofür er kämpfte. Er war als hilfloser Junge aus England gekommen und verließ die Schule als fertig ausgebildeter Samuraikrieger.
37
Die Burg von Osaka
Nach einem dreitägigen Gewaltmarsch trafen die Schüler in Osaka ein, dem politischen und wirtschaftlichen Zentrum Japans. Jack hatte sich nichts unter der Stadt vorstellen können. Sie hatte wie Kyoto wenig mit den englischen Städten gemein, in denen es durchdringend nach Mist und Gerbereien stank und deren löchrige Straßen von Räubern und streunenden Jugendlichen unsicher gemacht wurden.
In Osaka begegneten einem ständig Leute, die sich höflich verbeugten. Läden und Häuser waren unglaublich sauber, die Straßen waren breit und ordentlich gekehrt. Sogar frisches Wasser gab es.
Auf die Burg von Osaka war Jack allerdings noch viel weniger vorbereitet.
Vor ihm ragte eine unvorstellbar große Festung auf. In ihren Mauern hätten gleich mehrere Schlösser auf einmal Platz gefunden. Der Tower von London nahm sich dagegen armselig aus. In der Mitte der Burg ragte acht Stockwerke hoch der Hauptturm auf, ein schneeweiß gestrichenes Gebäude mit geschwungenen, überlappenden grünen Ziegeldächern und vergoldeten Giebeln.
Auf dem Weg durch die Außenbezirke der Stadt stießen weitere Soldaten zu ihnen, die zur Burg unterwegs waren. Ein steter Strom von Menschen wälzte sich die Hauptstraße entlang. Sie näherten sich einem gewaltigen steinernen Tor in einer mächtigen Mauer. Das Fallgatter wurde hochgezogen und die schweren, eisenbeschlagenen Torflügel schwangen auf.
Hunderte von Füße trampelten über die hölzerne Zugbrücke. Der Lärm dröhnte Jack in den Ohren. Er blickte nach rechts. Die äußere Mauer erstreckte sich mindestens anderthalb Kilometer lang geradeaus und machte dann einen Knick nach Norden. Sie fiel unbezwingbar steil zum Wasser des breiten Burggrabens ab. Die darin verbauten Steinquader überragten Jack und wogen bestimmt so viel wie zehn Kanonen zusammen. Obenauf saß wie das gezackte Rückgrat eines Drachen eine Reihe von Türmchen mit Blick auf die offene Ebene Tenno-ji im Süden. Sie passierten ein zweites, gleichermaßen gewaltiges Tor. Zu Jacks Erstaunen waren die Mauern mehrere Meter dick.
Am nächsten Tor bog der Weg nach rechts ab. Sie gingen eine breite Straße entlang, die von burgähnlich befestigten Häusern gesäumt wurde. Dann führte der Weg durch ein weiteres Fallgatter und über einen zweiten Burggraben und wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Taro bedeutete Jack, nach oben zu blicken. Von Zinnen und Brüstungen blickten Hunderte von Soldaten auf sie nieder. Weitere Soldaten bewachten die Tore, patrouillierten auf den Straßen, exerzierten auf offenen Innenhöfen oder versorgten Pferde in den Ställen. Wohin der Blick auch fiel, überall wimmelte es von Samurai.
»Wer die Burg von Osaka beherrscht, der beherrscht das Herz des Landes«, flüsterte Taro.
Jack glaubte ihm nur zu gern und schöpfte neue Hoffnung. Die Burg schien uneinnehmbar, die Armee unbesiegbar. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
Jack verlor in dem Labyrinth aus Straßen und steinernen Treppen schon bald die Orientierung und war froh, als sie schließlich auf einem großen, von Bäumen gesäumten Platz mit einer Halle anhielten, die an den Butokuden erinnerte. Masamoto befahl den Schülern, in einer Reihe zu warten, und verschwand mit Sensei Hosokawa in Richtung des Hauptturms.
Der Turm war näher gerückt, schien aber
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