Samurai 3: Der Weg des Drachen
eisenverstärktes Tor. Davor standen Fußsoldaten, die mit Speeren bewaffnet waren. Das Tor schwang auf und sie betraten einen von Pflaumen- und Kirschbäumen gesäumten Innenhof. Unmittelbar vor ihnen ragte der Hauptturm auf. Jack musste den Kopf in den Nacken legen, um das oberste Stockwerk zu sehen.
Sie kamen an einem Teegarten mit einem ovalen Teich und an einem Brunnenhaus vorbei und standen schließlich vor dem Haupteingang des Turms, einem in den gewaltigen steinernen Sockel eingelassenen Tor. Die davor postierten Samuraiwachen griffen nach ihren Schwertern und riefen sie an. Der Rat der Regenten ging, was Satoshis Sicherheit betraf, kein Risiko ein. Jack sah, dass eine weitere Wachmannschaft um den Turm patrouillierte. Der Anführer seiner Begleiter sagte die Parole und das Tor ging auf.
Drinnen traten die Wachen die Sandalen von ihren Füßen. Jack folgte ihrem Beispiel. Der holzverkleidete Raum war dunkel und es dauerte eine Weile, bis Jacks Augen sich daran gewöhnt hatten. Ein seitlicher Durchgang führte zu einem Raum, in dem Schießpulver, Musketen, Arkebusen und Speere lagerten. Jack hatte erwartet, dass eine steinerne Treppe in den Hauptstock führen würde, musste zu seinem Erstaunen aber feststellen, dass allein schon der Sockel in drei Etagen unterteilt war. Sie stiegen verschiedene Holztreppen hinauf und passierten weitere Wachen und zahlreiche Zimmer. Erst auf der vierten Ebene gab es Fenster.
Die Sonne stand inzwischen tief über dem Horizont und Jack sah kilometerweit über die Tenno-ji-Ebene. Unter ihm lagen die drei Mauerringe der Burg und dahinter die Stadt, die sich wie eine Flickendecke zum Hafen und zum Meer erstreckte. Alles quälend nah. Vielleicht, dachte Jack, fand er ja, wenn alles vorbei war, im Hafen ein japanisches Schiff, das nach Nagasaki fuhr, und konnte von dort nach Hause zurückkehren.
Seine Begleiter blieben abrupt vor einer großen Holztür im fünften Stock stehen. Hier standen keine Wachen. Jack hatte keine Ahnung, was ihn dahinter erwartete. Seine Begleiter hatten nicht mehr mit ihm gesprochen, er wusste also nicht, ob er verhaftet war oder gleich dem künftigen Kaiser gegenüberstehen würde. Wieder spürte er das mulmige Gefühl in der Magengrube. Die Tür wurde geöffnet.
»Komm herein«, sagte eine ölig glatte Stimme.
Es war der Europäer aus Satoshis Gefolge. Seine Haare glänzten im Lampenlicht wie nass. Er trug keinen japanischen Kimono mehr, sondern die knopflose Soutane und den Umhang eines portugiesischen Jesuiten. Jack kämpfte die Angst nieder, die in ihm aufstieg. Vor ihm stand ein eingeschworener Feind Englands, der in der Burg eine mächtige Stellung bekleidete.
Er trat ein und blieb verwirrt stehen. Ihm war, als hätte er in eine andere Welt hinübergewechselt. Das Zimmer war europäisch eingerichtet. Wände und Decke waren holzgetäfelt. Das beherrschende Möbelstück war ein schwerer Eichentisch mit aufwendig geschnitzten Beinen. Auf ihm standen zwei silberne Kerzenleuchter und ein mit Wasser gefüllter Zinnkrug. Dahinter befand sich ein großer Holzstuhl, auf den der Priester sich jetzt setzte. Die Kopflehne war mit einem verschlungenen Blumenmuster verziert, wie es an den europäischen Höfen überaus beliebt war. In einer Ecke stand eine mit einem großen Schloss gesicherte dunkelbraune Truhe. An der Wand darüber hing ein Ölgemälde, das den heiligen Ignatius zeigte, den Gründer des Jesuitenordens. In einer Wandnische reihten sich einige dicke, ledergebundene Bücher. Die Einrichtung war in jeder Beziehung unjapanisch und Jack wurde augenblicklich von Heimweh überwältigt.
»Setz dich!«, befahl der Priester, sobald die Tür sich hinter Jack geschlossen hatte.
Mechanisch kniete Jack sich auf den Boden.
»Auf den Stuhl.« Der Priester zeigte mit einer ungeduldigen Handbewegung auf den Lehnstuhl hinter Jack. »Du hast offenbar vergessen, wer du bist. Nicht dass ich dir Vorwürfe mache. Wer zu lange unter Japanern lebt, wird verrückt. Deshalb wollte ich mir wenigstens in diesem Zimmer unbedingt ein Stück Portugal bewahren. Dieses Zimmer ist meine Zuflucht vor ihren erstickenden Ritualen, Förmlichkeiten und Benimmregeln.«
Jack setzte sich. Er war immer noch sprachlos.
»Verstehst du mich?«, fragte der Priester. Er betonte jedes Wort einzeln, als sei Jack schwer von Begriff. »Oder soll ich lieber Englisch sprechen?«
Sofort war Jack hellwach. Misstrauen regte sich in ihm. Dem Priester haftete trotz seiner äußeren Freundlichkeit
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